Nevermore
lackierten Leisten.
Varen stellte das Essen auf einem schlichten Schreibtisch ab, der unter einem der Fenster stand. Das Fenster bestand aus drei senkrechten Glasscheiben, die von außen mit weißen Holzrauten verziert waren. Es gab noch ein weiteres Fenster, es war kleiner und befand sich näher am Boden, an der Wand neben dem Bett, und es bot einen »grandiosen« Ausblick auf das Nachbardach.
Isobel blieb stehen, als sie bemerkte, dass ihr ein kühles blaues Augenpaar folgte. Sie drehte den Kopf und entdeckte die Katze, die eingerollt auf Varens Bett lag. Eine rundliche Siamkatze, in die graue Tagesdecke gekuschelt - Isobel hätte schwören können, dass sie vor einer Minute noch nicht dort gelegen hatte. Das Tier blinzelte sie langsam an, kniff die Augen zu und öffnete sie dann wieder zu zwei durchdringenden Schlitzen.
»Das ist Slipper«, hörte sie Varen sagen.
»Er ist wunderschön«, murmelte Isobel.
»Sie«, berichtigte Varen.
Isobel näherte sich dem Bett, setzte sich auf eine Ecke und legte die Colaflaschen und die Gabeln ab. Sie streckte eine Hand aus, damit sie, so wie es die Katzenetikette verlangte, beschnuppert werden konnte, und Slipper stupste sie mit dem Kopf an.
»Lass dich nicht davon täuschen, wenn sie so elegant tut« meinte Varen und kramte seinen Schreibblock hervor. »Sie furzt.«
Ulalume
Auf dem Fußboden lagen ausgebreitet ihre Sachen zum Arbeiten. Isobel und Varen hatten sich auf den weißen Teppich neben dem Bett gesetzt, die kleinen rot-weißen Behälter mit dem chinesischen Essen geöffnet und schoben sie nun zwischen sich hin und her - keiner von ihnen achtete darauf, wem welche Gabel gehörte.
Zunächst hatte Slipper ihnen vom Bett aus zugesehen und desinteressiert mit ihren kühlen Augen geblinzelt. Anscheinend hatte sie gewartet, bis die beiden vollkommen in ihre Arbeit vertieft waren. Nun glitt sie vom Bett herunter und breitete sich, nachdem sie sich demonstrativ gestreckt und ordentlich gegähnt hatte, auf den Arbeitsblättern aus. Laut schnurrend klopfte sie mit ihrem Schwanz auf den Boden.
Isobel und Varen hatten beschlossen, die Präsentation in drei Teile zu gliedern: Poes bekannteste Werke, sein Einfluss auf die moderne Literatur und nicht zuletzt die merkwürdigen Umstände, unter denen er gestorben war.
Sie nahmen sich eine Kategorie nach der anderen vor, gingen die Bücherstapel aus der Bibliothek durch und suchten die wichtigsten Informationen heraus. Isobel bestand darauf, alles auf nummerierte Karteikarten zu schreiben, damit wenigstens eine Sache ihre Handschrift trug. Nur für den Fall, dass Swanson einen Verdacht hegte. Varen hatte nichts dagegen und schien sogar zu genießen, die gefundenen Informationen laut zusammenzufassen. Er sprach so langsam, dass Isobel gut mitschreiben konnte. Auf diese Weise brauchten sie kaum mehr als eine Stunde, dann waren sie schon beim letzten Punkt angekommen Varen, der gerade durch eine Biografie mit gigantischem Umfang blätterte, wurde plötzlich still.
Isobel blickte von ihrer eigenen Lektüre auf und wackelte mit dem Stift, während sie darauf wartete, dass er weiter diktierte Aber Varen gab keinen Ton von sich. Sie schürzte die Lippen und klopfte sich nachdenklich mit dem Stift gegen das Kinn. Sie betrachtete die um sie herum ausgebreiteten Arbeitsblätter, Karteikarten und Plakatkartons und überlegte, ob sie Varen sagen sollte, was sie beschäftigte. Sie entschied sich, alle Bedenken über Bord zu werfen, ließ den Stift sinken und sprach es einfach aus.
»Ahm … glaubst du, dass unsere Präsentation zu, ich weiß nicht … ich meine, sie ist irgendwie langweilig, findest du nicht?«
Ohne von seinem Buch aufzusehen, antwortete er: »So knapp, wie wir dran sind, haben wir kaum eine andere Wahl, oder?«
Isobel nickte. Ihm war der Gedanke also auch schon durch den Kopf gegangen. Und sie wusste, dass er recht hatte. Aber auch wenn kein Ausweg in Sicht war, spukte in Isobels Kopf weiter die Frage herum, wie ihr Projekt wohl ausgesehen hätte, wenn sie von Anfang an bei der Sache gewesen wären. Doch auf der anderen Seite war sie nicht gerade ein Poe-Fan und es würde eine Riesenerleichterung sein, wenn sie das Ganze endlich hinter sich gebracht hatten. Na ja, zumindest das Projekt. Wenn es schon nicht zu mehr als zu einer schnöden Präsentation reichte, was auch immer sie heute Abend auf die Beine stellen würden, hoffentlich genug, um im Team bleiben zu können - zur Abwechslung mal wieder nur
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