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Nevermore

Nevermore

Titel: Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Creagh
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Rauschen eines Radios, das zwischen zwei Kanälen festhängt, begann sich in ihr auszubreiten. Isobels Augenlider schlossen sich flatternd.
    »Es war nah bei den Seen von Auber, in den Nebelgefilden von Weir -«
    Isobel zog eine Augenbraue hoch, der kurze Augenblick im Paradies war schlagartig zu Ende. Ihre Hand schloss sich reflexartig um Varens. Irgendetwas an diesem Satz wühlte sie tief in ihrem Inneren auf und durchbrach den Schutt, der sich in ihrem Unterbewusstsein festgesetzt hatte. Hatte sie ihn richtig verstanden? Sie öffnete die Augen und lauschte zum ersten Mal konzentriert den Worten.
    »Bei den nasskalten Mooren von Auber, den gespenstischen Wäldern von We-«
    Ein lautes Krachen, wie ein Schuss aus einer Pistole, hallte durch das Haus.
    Isobel erschrak zutiefst, ließ Varens Hand los und sprang auf, sodass ihr das Buch vom Schoß fiel. Es schlug dumpf auf dem Boden auf und klappte zu, wobei es Slipper um Haaresbreite verfehlte, die wie vom Blitz getroffen aufsprang und unter das Bett schoss. Sie sah, dass Varen bereits stand, obwohl sie gar nicht gemerkt hatte, dass er sich aufgerichtet hatte.
    Schritte auf der Treppe.
    »Nein«, murmelte er leise vor sich hin.
    Isobels Herz schlug schneller. »Varen, was ist los?« Sie kniete sich hin und hob das Poe-Buch auf - es war so schwer wie ein Schiffsanker. Sie drückte es an ihre Brust. »Was ist denn? Wer ist das?«
    »Sie sind früher zurückgekommen. Schnell, versteck dich im Schrank.«
    Angst durchströmte sie. »Varen?«
    Schwere Schritte auf Holz. Energisches Stapfen auf den Treppenstufen.
    Varen nahm Isobels Arm und zog sie zum anderen Ende des Zimmers. Isobel folgte ihm. Sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte, überrumpelt von seinem eisenharten Griff. Gedanken und Gefühle fuhren Achterbahn in ihr.
    Das Stapfen kam näher.
    Jetzt war die Stimme einer Frau zu hören. »Joe«, sagte sie wieder und wieder und klang wie jemand, der versucht, einen wütenden Hund zu besänftigen.
    Isobel tauchte in die Dunkelheit ein, umhüllt von der Umarmung zahlloser schwarzer Ärmel. Die Schranktür wurde zugeschoben, ein Streifenmuster aus Licht drang hindurch und fiel auf Isobels zitternde Gestalt. Durch die Schlitze hindurch konnte sie Varens Stiefel sehen, die sich entfernten.
    Mit einem Schlag flog die Zimmertür auf. Isobel quietscht erschrocken auf und hielt sich mit der Hand den Mund zu.
    »Hast du mich nicht rufen gehört?«, schrie ein Mann. »Ich habe dich gefragt, ob du mich gehört hast!«
    Isobels zitternde Hand verließ ihren Mund und sprang nach oben, um ein Ohr zu schützen. Mit dem anderen Arm hielt sie noch immer das Poe-Buch fest umklammert. Erst als sie ein kehliges Katzenknurren unter Varens Bett vernahm, ließ sie die Hand wieder sinken. Slippers große Augen leuchteten silbern in der Dunkelheit.
    Jetzt konnte Isobel ein weiteres Paar Beine sehen, Männerbeine, die in einer schwarzen Anzughose und blank polierten, glänzenden Schuhen steckten.
    »Warum stehst du immer nur so da und sagst nichts?« Der Mann sprach jetzt ruhig, aber sein Tonfall verhieß nichts Gutes. »Was soll das denn hier? Was soll diese Unordnung auf dem Boden? Du weißt doch, dass du hier oben nicht essen sollst. Hattest du etwa Besuch, während ich weg war?«
    »Nein.«
    »Lüg mich nicht an.«
    »Joe«, flehte die Frauenstimme von der Treppe her. »Lass uns morgen darüber sprechen.«
    »Ich will, dass du das sofort aufräumst.« Eine Pause. Isobel sah, wie Varen zögerte. »Jetzt sofort!« Der Mann schnippte mit den Fingern. »Hör auf rumzustehen, bück dich und räum das gefälligst auf!« Er schnippte wieder mit den Fingern, wieder und wieder. Dabei zeigte er auf die kleinen Kartons vom Chinesen.
    Varen bückte sich und sammelte die Schachteln auf. Sein Gesicht kam in Isobels Blickfeld, aber mehr als seine Haare war nicht zu erkennen. Er sah nicht in ihre Richtung.
    »Was hast du denn mit deinem Auto gemacht?«
    Schweigen.
    »Ich habe dich gefragt, was du mit deinem Auto gemacht hast. Antworte!«
    »Ich habe gar ni-«
    »Findest du das etwa lustig? Findest du das witzig?«
    »Dad, ich habe nichts -«
    »Halt die Klappe! Ich will es nicht hören. Ich will kein verdammtes Wort hören. Genau das wirst du nämlich als Nächstes tun. Wenn du damit fertig bist, diesen Saustall aufzuräumen, kommst du nach unten und machst das weg. Ich habe dein Theater so satt. Ich habe diese ganze schwarze Parade satt, die du veranstaltest -«
    »Das geht nicht weg, Dad.«
    »Ich habe

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