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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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einen so aufwendigen Lebensstil führen? Wie konnte Pandora mit Nazis und dergleichen verkehren? Ich meine damit nicht nur, wie sie als Zigeunerin imstande war, sich als vornehme Wienerin auszugeben, sondern auch wie sie es fertigbrachte, hier in Wien zu bleiben, wenn ihre eigenen Leute – » Ich senkte meine Stimme und fuhr leise fort: «Ich meine, wie konnte sie hierbleiben als Hitlers favorisierter Opernstar?»
    Dacian blickte auf unsere Weingläser, als hätte er eben bemerkt, daß sie leer waren. Er schenkte selbst nach. Da ich die Aufmerksamkeit der Wiener Kellner in solchen Dingen kannte, konnte ich nur vermuten, daß Dacian unseren Ober angewiesen hatte, sich von unserem Tisch fernzuhalten.
    «Hat man dir das erzählt?» sagte er wie zu sich selbst. «Sehr interessant. Ich hätte gern gewußt, wo du diese Geschichte gehört hast, denn sie muß durch das Zusammenwirken mehrerer erfinderischer Geister entstanden sein.» Er sah mich an und fügte hinzu: «Sehr erfinderischer Geister.»
    «Willst du damit sagen, nichts davon sei wahr?» «Ich sage, jede halbe Wahrheit ist auch eine halbe Lüge»,
    antwortete er vorsichtig. «Was die Leute glauben, soll man nie mit der Wirklichkeit verwechseln. Die einzige Wahrheit, die es sich zu erforschen lohnt, ist immer die, die uns näher an den Mittelpunkt führt.»
    «Den Mittelpunkt wovon?» fragte ich.
    «An den Kreismittelpunkt der Wahrheit», antwortete Dacian. «Wirst du mir helfen, die Halbwahrheiten und diversen
    Meinungen, die sich bei mir angesammelt haben, loszuwerden, und ein wenig Licht auf meine eigene Wirklichkeit werfen?»
    «Ja, obwohl es schwer ist, Fragen richtig zu beantworten, die nicht richtig gestellt wurden», sagte er lächelnd.
    Plötzlich legte er seine Hände auf meine Hände, die rechts und links neben meinem Teller lagen. Ich fühlte eine Welle von Wärme durch meinen Körper strömen. Aber bevor ich etwas sagen konnte, legte er einen Finger auf seine Lippen und wies auf den Ober, der etwas auf deutsch sagte, was ich nicht verstand.
    «Ich habe uns eine Nachspeise bestellt», sagte Dacian, «etwas mit viel Schokolade. Sie wurde nach Rigo Jancsi benannt, einem berühmten Zigeunergeiger aus dem vorigen Jahrhundert, der das Herz aller vornehmen Wienerinnen brach – und nicht nur, weil er phantastisch Paganini spielte!» Er lachte und schüttelt e den Kopf, aber er schien mich genau zu beobachten, auch nachdem er meine Hände freigegeben hatte.
    Wortlos nahm er etwas aus der Innentasche seiner Weste und gab es mir. Es war ein ovales goldenes Medaillon mit einer Gravierung, die einen Vogel darstellte, der den gestickten Vögeln auf seiner Weste glich. An beiden Seiten befand sich ein kleines Scharnier. Als ich auf die Feder an der einen Seite drückte, sprang das Medaillon auf. Ich blickte auf ein schimmerndes, handkoloriertes Foto, ähnlich den Platindrucken aus der Zeit der Jahrhundertwende. Aber im Gegensatz zu vielen Fotos aus jener Zeit, auf denen die Leute wie tote Fische starren, wirkte dieses Bild mit seinen fast lebensechten Farben so frisch wie ein kürzlich aufgenommener Schnappschuß.
    Das Bild in dem kleinen Oval zeigte ganz offensichtlich den jungen Dacian Bassarides. Von dem schönen Gesicht mit der geraden schmalen Nase, den dunklen Augen und vollen Lippen ging etwas atemberaubend Wildes aus, das an Lafs Panther erinnerte, den Begleiter des Gottes.
    Aber als ich ein zweites Mal auf die Feder drückte und sich ein weiterer Verschluß öffnete, wäre mir das Medaillon beinahe aus der Hand gefallen. Es war, als erblickte ich mein eigenes Spiegelbild!
    Das Gesicht in dem Medaillon hatte die gleichen hellen «irischen» Farben wie ich, meine Haarpracht und meine hellgrünen Augen. Aber auch Details, bis zu dem Grübchen im Kinn, waren identisch. Obwohl die Kleidung in eine andere Zeit gehörte, hatte ich das Gefühl, unverhofft meinem Zwilling begegnet zu sein.
    Dacian Bassarides beobachtete mich noch immer. «Du bist genau wie sie», sagte er schließlich. «Wolfgang
    Hauser hatte mich vorgewarnt, aber trotzdem hatte ich damit nicht gerechnet. Ich habe dich aus dem Hintergrund des Restaurants eine ganze Weile beobachtet, bevor ich mich an diesen Tisch wagte, um dich kennenzulernen. Es ist schwer zu beschreiben, was ich fühle. Es ist wie ein Schwindelgefühl… als würde ich durch die Zeit fallen.» Er verstummte.
    «Du mußt sie sehr geliebt haben.»
    Als ich das sagte, begriff ich erst, welche Fragen sich damit ergaben bezüglich

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