Neville, Katherine - Der magische Zirkel
Früchte tragen, wurde Hermione schwer krank. Als sie starb, vergewaltigte Hieronymus Pandora noch in derselben Nacht und zwang sie, ihn ohne größeren Aufschub zu heiraten. Der Mann war ein Schuft der übelsten Sorte. Aber als sie ihn heiratete, war sie bereits mit mir verheiratet. Ich konnte lange nicht akzeptieren, daß sie uns alle einem solchen Schicksal unterwerfen mußte – denn was könnte schlimmer sein, als wenn die eigene schwangere Frau von einem anderen mißbraucht wird, der sie dann aus dem Haus jagt und ihr Kind entführt – »
«Entführt?» sagte ich entsetzt. «Um Himmels willen, wie meinst du das?»
«Ich meine, dein Vater wurde von niemandem verlassen», erklärte er mir. «Als Hieronymus Behn entdeckte, daß Pandora gefunden hatte, was sie suchte, warf er sie hinaus, verriegelte das Haus und machte sich heimlich mit unserem Kind davon. Er behielt Augustus als Geisel und verlangte ein Lösegeld, das wir nicht zahlen konnten, selbst wenn wir die nötigen Mittel gehabt hätten.»
«Lösegeld!» sagte ich. Aber dann begriff ich. Keiner von uns blickte auf die Tasche, die zwischen uns auf der Bank lag. Meine Gedanken liefen so durcheinander, daß ich, als er zu sprechen fortfuhr, eine Minute brauchte, um zu verarbeiten, was er sagte.
«Vielleicht weißt du nicht genau, was du da in deiner Tasche mit dir herumträgst, meine Liebe», sagte er, «aber du weißt, daß es wertvoll und gefährlich ist. Andernfalls hättest du das Zeug verkauft oder verbrannt oder zu Hause gelassen. Du hättest dir nie die Mühe gemacht, es um die halbe Welt zu schleppen. Als Wolfgang Hauser die Vermutung äußerte, daß sich die Dokumente in deinem Besitz befinden, und ich beschloß, dir alles über unsere Familie zu erzählen – einschließlich unserer Abstammung von den Roma –, da schickte ich ihn schleunigst fort. Siehst du, die Information, daß diese Papiere hier in deiner Tasche sind, sagte mir etwas, das ihm glücklicherweise entgangen ist. Ich bat ihn, uns hier in der Nähe in einer Viertelstunde, von jetzt an gerechnet, zu treffen.»
Er hielt inne und schaute mir direkt in die Augen. Ich erstarrte, als ich seine nächsten Worte vernahm.
«Du kannst von der Bedeutung dieser Dokumente erst vor kurzem erfahren haben, und zwar von jemand, der eine mehr als oberflächliche Kenntnis von ihrer wahren Bedeutung hat. Nachdem ich nicht derjenige war und alle anderen ihr Geheimnis ins Grab mitgenommen haben, nehme ich an, du wurdest von der Person über die Bedeutung der Papiere unterrichtet, die sie zuletzt besaß. Das läßt darauf schließen, daß dein Cousin Samuel lebt – und daß du erst vor kurzem mit ihm gesprochen hast.»
Die Zweige und Früchte des… Weltenbaums kommen in der Kunst und im Mythos Griechenlands vor, aber seine Wurzeln sind in Asien… Der Weltenbaum ist ein Symbol, das das des Weltberges ergänzt oder gelegentlich überlappt, und beide sind nur kunstvollere Formen der kosmischen Achse oder Weltsäule.
E. A. S. B UTTERWORTH , The Tree at the Navel of the Earth Ich war am Boden zerstört. Ich fühlte mich körperlich krank. Wie konnte ich so naiv gewesen sein zu glauben, daß eine kleine harmlose Regierungsangestellte wie ich ohne jegliche Spionageausbildung diese gefährlichen Manuskripte und auch Sam schützen könnte, wenn es so einfach war herauszufinden, was ich in meiner Tasche bei mir trug?
Ich versuchte, meinen inneren Aufruhr zu verbergen, als der Ober kam, um zu kassieren. Ich weiß nicht mehr, wie ich aus der Nische kroch, in den Mantel schlüpfte und aus dem Lokal hinausfand. Dacian Bassarides folgte mir wortlos. Draußen auf der Herrengasse hängte ich mir die Tasche um und hielt sie mit eisernem Griff fest.
«Meine Liebe, deine Angst ist beinahe mit Händen zu greifen», sagte Dacian. «Aber Angst ist etwas Notwendiges und Gesundes. Sie schärft unser Bewußtsein. Man braucht sie nicht zu unterdrücken.»
«Du verstehst nicht ganz», sagte ich ungeduldig. «Wenn du und Wolfgang erraten konntet, daß ich diese Papiere habe, dann konnten das vielleicht auch andere. Sam ist in schrecklicher Gefahr. Man hat versucht, ihn zu töten. Aber ich weiß nicht einmal, was das für Manuskripte sind, und noch weniger, wie ich sie schützen soll. Ich weiß nicht, wem ich trauen kann!»
«Die Antwort ist ganz einfach», sagte Dacian. Er nahm gelassen meine Hand und schob sie unter seinen Arm. «Du mußt der Person trauen, die weiß, was sie sind, und die dir, jedenfalls im Moment,
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