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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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raten kann, was du mit ihnen tun sollst. Beides trifft zufällig auf mich zu. Des weiteren wäre es ein Fehler, gegenüber unserem Freund Hauser, der glaubt, daß du diese Papiere hast, so zu tun, als hättest du sie nicht. Das würde ihn nur mißtrauisch machen. Du mußt ihn ins Vertrauen ziehen, zumindest in den Dingen, die er bereits erraten hat. Es wäre eine Geste, die sich auch auf andere Weise als nützlich erweisen könnte. Wenn wir ihn jetzt treffen, möchte ich euch beiden etwas zeigen.»
    Ich versuchte mich zu beruhigen, während mich Dacian durch die engen Straßen führte bis dorthin, wo der Graben in die elegante Kärntnerstraße mündet. Auf der anderen Seite ging es zum Stephansplatz mit dem wunderschönen Dom in der Mitte mit den farbigen Dachziegeln und den vielen Türmen.
    Wolfgang stand an der Ecke, wo die zwei Straßen zusammenliefen. Er blickte auf seine Uhr, dann sah er sich suchend in der Menge um. Ich erinnerte mich, wie ich ihn das erste Mal in der Firma gesehen hatte, in demselben eleganten Kamelhaarmantel mit Seidenschal und Lederhandschuhen – mein Gott, war es wirklich erst eine Woche her? Mir schien eine Ewigkeit vergangen zu sein.
    «Kennst du die Bedeutung des Wortes ‹Äon›? Oder richtiger aion, wie es auf griechisch heißt?» fragte mich Dacian. «Es hat etwas damit zu tun, warum ich euch beide an diesen Ort hier gebracht habe.»
    «Es ist eine lange Zeitspanne», sagte ich. «Länger als ein Jahrtausend.»
    Wolfgang entdeckte uns und kam freudig auf uns zu. Aber nach einem Blick auf mich verdüsterte sich seine Miene.
    «Es tut mir leid, daß ich dich allein gelassen habe», sagte er. «Du warst schon vorher völlig übermüdet.» Dann wandte er sich an Dacian und sagte barsch: «Sie sieht furchtbar aus – was haben Sie ihr gesagt?»
    «Oh, besten Dank», bemerkte ich sarkastisch. Aber wenn man mir meine Nervenbelastung so ansah, mußte ich mich zusammennehmen.
    «Es ist halb so schlimm, Herr Hauser», sagte Dacian beruhigend. «Ariel hat nur die schwere Prüfung einer einstündigen Unterhaltung mit einem Familienmitglied hinter sich. Es war vielleicht keine angenehme Aufgabe, aber sie hat sie großartig gemeistert.»
    «Wir haben köstlich gegessen und philosophiert», erklärte ic h Wolfgang. «Nun waren wir gerade beim Millenium angelangt. Dacian wollte erklären, was das griechische Wort aion bedeutet.»
    Wolfgang sah Dacian überrascht an und sagte «Mit dem nächsten Jahrhundert wird auch ein neues Zeitalter oder Aon beginnen – ein wichtiger Zweitausendjahrezyklus.»
    «Das ist die allgemeine Auffassung», sagte Dacian. «Eine große Zeitspanne, ein wiederkehrender Zyklus, entstanden aus aevum, auf deutsch Kreis oder Achse. Aber für die alten Griechen bedeutet aion etwas mehr, nämlich Feuchtigkeit; es ist der Lebenszyklus, der im Wasser beginnt und im Wasser endet. Sie stellten sich einen Fluß vor, der das Land wie eine Schlange, die ihren Schwanz verschlingt, umgibt. Der aion der Erde bestand aus Flüssen, Quellen, Brunnen, unterirdischen Gewässern, die aus der Tiefe hervorbrachen und sich ausbreiteten, um alle Formen des Lebens zu schaffen und zu ernähren. Die Ägypter glaubten, wir wurden aus den Tränen der Götter geboren, und der Zodiak war für sie ein kreisender Fluß, dessen Achse der Schwanz des Kiemen Bären war – ein weiterer Grund, warum der Große und der Kleine Bär im Angelsächsischen ‹Dipper› oder Kelle genannt werden. Und das führt zu dem, was ich euch hier zeigen möchte.»
    An der Ecke, wo Wolfgang auf uns gewartet hatte, wies Dacian auf ein unauffälliges graues Gebäude mit einem an der Außenmauer angebrochenen Glaszylinder. In dem Glasbehälter befand sich ein knorriger, ungefähr ein Meter hoher Gegenstand mit einer schwarzen, klumpigen, wie von einem Pilz befallenen Oberfläche. Das Ding schien sich wie etwas Lebendiges zu winden. Obwohl es hinter Glas war, schauderte ich, so eklig sah es aus.
    «Was ist das?» fragte ich Dacian.
    Doch es war Wolfgang, der meine Frage beantwortete: «Das ist der berühmte Stock im Eisen, ein fünfhundert Jahre alter Baumstumpf, der so dicht mit Nägeln beschlagen ist, daß man kein Holz mehr sieht. Die Leute erzählen von einem Brauch der Schlossergilde. Die Naglergasse ist hier ganz in der Nähe. Man fand auch eine alte Kapelle, die man vollkommen restauriert in der U-Bahn sehen kann. Niemand weiß, warum und von wem sie so tief unter der Erde gebaut wurde, vor Hunderten von Jahren – »
    «Fast

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