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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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annektierten die Briten Transvaal, und Paul Kruger floh nach Holland. Viele Engländer packten damals die Koffer und kehrten nach Hause zurück. Aber die Guerillakämpfe in den Bergen gingen noch über ein Jahr weiter. Die Engländer trieben Frauen und Kinder aus den aufständischen Burenkolonien zusammen und sperrten sie in Konzentrationslager. Mein Vater starb an den Folgen einer Verwundung, die er bei Kimberley erlitten hatte. Rhodes starb zwei Jahre später ebenfalls bei der Belagerung von Kimberley, als seine Gesundheit den Strapazen nicht mehr standhielt. Und wieder zwei Jahre später starb Kruger in Holland. Es war das Ende einer Ära.
    Aber es war auch ein Anfang, und dieser war gekennzeichnet durch das Aufkommen von Terrorismus und Guerillakriegsführung, Konzentrationslager und Völkermord. Ein neues Zeitalter dämmerte herauf, das wir weitgehend den Buren zu verdanken haben, obwohl sich die Engländer nach Kräften beeilten, auch ihren Beitrag zu leisten.
    Als mein Vater starb, übertrug Cecil Rhodes meiner Mutter als Gegenwert für die Beteiligung meines Vaters am Aufbau der DeBeers-Diamantenkonzession ein riesiges Vermögen in Form von Bargeld und Einnahmen aus Schürfrechten. Und er spendete zusätzlich aus seinem eigenen Vermögen einen großzügigen Betrag für meine Erziehung und Ausbildung.
    Als Mr. Rhodes dies alles in die Hände der Witwe Hermione Alexander gab, hatte er mehrere Umstände nicht bedacht: zum Beispiel, daß meine Mutter nicht die sorgfältig erzogene, vernünftig denkende Engländerin war, wie der Name «Lady Stirling» vielleicht vermuten ließ, sondern in einem calvinistischen Waisenhaus aufgewachsen war; daß die einzige Lebenserfahrung, die sie danach gemacht hatte, ein Dasein in einer luxuriösen Umgebung war, mit schönen Kleidern und Juwelen, Gewächshäusern und Bediensteten, das ihr ein ungeheuer reicher, wesentlich älterer und sie abgöttisch liebender Ehemann ermöglichte; daß sie erst zweiunddreißig Jahre alt und noch immer eine große Schönheit war; daß sie nur ein einziges, eben erst geborenes Kind hatte und keinerlei Erfahrung, worauf man bei einem Kind achten mußte; daß sie jetzt dank der großzügigen Regelung von Mr. Rhodes eine der reichsten Frauen Afrikas, vielleicht sogar der ganzen Welt war – was sie noch attraktiver machte.
    An all das hatte Mr. Rhodes nicht gedacht und wahrscheinlich auch nicht meine Mutter, denn sie war weder habgierig, noch interessierte sie sich für materielle Dinge. Aber es gab andere, die sich sehr bald dafür interessierten, und derjenige, der am schnellsten zur Tat schritt, war Hieronymus Behn.
    Wer heute den Ruf von Hieronymus Behn kennt, den er sich als Industriemagnat und skrupelloser Geschäftsmann erworben hat, kann sich wahrscheinlich nicht vorstellen, daß er 1901, kurz nach meiner Geburt, als armer calvinistischer Geistlicher, den die Kirche heimlich geschickt hatte, weil ja noch Krieg herrschte, zu meiner Mutter kam, um sie in ihrem Kummer zu trösten und sie in den Schoß ihres Volkes und ihrer calvinistischen Glaubensgemeinschaft zurückzuführen.
    Drei Monate später – ich war noch kein halbes Jahr alt – waren sie verheiratet.
    Man muß dazu sagen, daß Hieronymus Behn – von der Religion einmal abgesehen – für eine trauernde Witwe sehr attraktiv gewesen sein muß. Er war so ein Mann, der seine Hände auf eine Frau zu legen schien, wenn er sie nur ansah. Ich bin überzeugt, er wußte genau, wo und wie er diese Hände zu benutzen hatte. Er hat sie oft und sehr geschickt benutzt, um anderen Leuten in die Taschen zu greifen und sich ein Vermögen zu schaffen. Aber wie konnte ich damals wissen, daß er bereits begonnen hatte, uns auszuplündern?
    Als der Krieg zu Ende war, kam mein Bruder Earnest zur Welt. Als Earnest zwei Jahre alt war und ich vier, wurde ich in ein Kinderheim nach Salzburg gebracht, und man sagte mir, meine Familie würde bald nach Österreich umziehen. Als ich sechs Jahre alt war, erfuhr ich im Internat in Salzburg, daß ich eine Schwester namens Zoe bekommen hatte.
    Erst als ich zwölf war, sollte ich meine Familie wiedersehen. Ich erhielt eine Fahrkarte nach Wien, und dort sah ich nach fast acht Jahren zum ersten Mal meine Mutter wieder – es sollte auch das letzte Mal sein.

    Bevor ich meine Mutter wiedersah, erfuhr ich, daß sie im Sterben lag.
    Ich saß gegenüber einer hohen Flügeltür in einem großen, zugigen Gang auf einem harten Stuhl mit gerader Lehne. Links neben mir warteten

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