New York - Love Story
Warum
ist Maja denn plötzlich so begriffsstutzig, das ist doch sonst
nicht ihre Art? Egal, ich taste bereits neben dem Bett nach
meiner Tasche und ziehe mein Handy raus. Mit fliegenden
Fingern tippe ich meine Nachricht.
Muss mit dir reden. XXX Niki
Ich klicke auf Senden und warte. Eine Minute. Noch eine.
Und noch eine. Maja schaut mich mit einem erwartungsvollen
Gesichtsausdruck an. Aber irgendwie sieht sie aus, als
würde sie nicht mit einer Antwort von Simon rechnen. Ich
lasse noch ein paar Minuten verstreichen. Das Handy-Display
bleibt schwarz. Keine neuen Nachrichten!
»Wahrscheinlich hat er es nicht gehört«, mutmaße ich.
»Ja, vielleicht.«
»Wir müssen ihn anrufen!« Eilig drücke ich die Kurzwahl
für den WG-Anschluss. Freizeichen. Ich bin so hibbelig, dass
ich vom Bett springe und in Majas Zimmer auf und ab laufe,
während ich warte. Nach dem zehnten Klingeln geht endlich
jemand dran.
»Hallo?«, brummt eine verschlafene Stimme.
»Hallo? Mario?« Ich bin mir nicht sicher, welcher von Simons
Mitbewohnern am Apparat ist. Majas Kopf verfolgt
mich neugierig auf meinem Marsch durch ihr Zimmer, sodass
sie aussieht wie eine Zuschauerin bei einem Tennismatch.
»Hmm«, kommt genervt zurück.
»Hier ist Niki, kann ich Simon sprechen, bitte?«
Mario brummelt irgendetwas Unverständliches, aber ich
kann seine Schritte hören, die vermutlich gerade durch den
langen WG-Flur schlurfen. Dann ein Klopfen und eine Tür,
die geöffnet wird. Stille.
»Mario?«, frage ich unsicher.
»Simon ist nicht da«, kommt zeitverzögert die Antwort.
»Wie, nicht da?«
»Nicht da«, wiederholt Mario. »Und es sieht auch nicht
so aus, als ob er vorhätte, bald zurückzukommen«, fährt er
plötzlich redselig fort. »Der Kleiderschrank steht auf und ist
leer geräumt. In den Regalen fehlt auch einiges. Und außerdem
ist hier drin echt miese Luft.«
Der Arm mit dem Handy gleitet mir vom Ohr und fällt
kraftlos hinunter. Das Handy landet auf Majas rosa Flauschteppich.
Ich starre es an, unfähig, mich zu bewegen.
»Hallo, Niki? Bist du noch da?«, tönt Marios Stimme etwas
blechern zu mir herauf.
Plötzlich kniet Maja auf dem Boden und hebt das Handy
an ihr Ohr.
»Niki ist gerade in Schockstarre gefallen«, erklärt sie knapp
und legt einfach auf. Sanft zieht sie mich zu sich auf den Kuschelteppich
und legt einen Arm um meine Schultern.
»Er ist weg«, flüstere ich. Wieder kämpfe ich mit den Tränen.
»Vielleicht ist es besser so«, versucht Maja mich zu trösten.
Was hat sie denn bloß? Sie kommt mir schon die ganze Zeit
so komisch vor.
»Willst du mir gar nicht helfen, Simon zurückzubekommen?«,
frage ich.
»Doch, natürlich.« Maja drückt meine Schultern. »Natürlich
helfe ich dir, wenn du das unbedingt möchtest. Aber was
willst du jetzt noch machen? Simon ist schon auf dem Weg
nach New York.«
»Dann muss ich halt auch nach New York!« Der Satz ist
raus, bevor ich ihn überhaupt zu Ende gedacht habe. Verblüfft
starrt Maja mich an.
»Wer bist du und was hast du mit meiner besten Freundin
gemacht?«, fragt sie irritiert.
Ich lache nervös. Ich bin eigentlich gar nicht der Typ für
solche Spontanentscheidungen. Normalerweise schreibe ich
sogar Pro-und-Kontra-Listen, wenn es nur um die Auswahl
eines Mittagessens in der Schulmensa geht. Aber das hier ist eine außergewöhnliche Situation – und die erfordert außergewöhnliche
Maßnahmen!
»Ich muss nach New York!«, wiederhole ich energisch. Jetzt
lacht auch Maja.
»Okay, neue Niki. Dann lass uns mal überlegen, wie du das
deiner Mutter verklickerst.«
Meine gerade gewonnene Zuversicht schmilzt wie Eis in
der Sonne. Meine Mutter! Die wird mit meinen Reiseplänen
sicher gar nichts anfangen können. Unsere Zimmer in
der Pension Clara sind bereits seit vergangenem Sommer gebucht.
Schon Ende dieser Woche, gleich am letzten Schultag,
wollen wir unsere Koffer packen, um für die kompletten sechs
Ferienwochen in unser kleines Idyll in der Toskana zu verschwinden.
Auch wenn ich die Sommerurlaube mit meiner
Mom bisher immer genossen habe, steht mir im Augenblick
nach nichts weniger der Sinn als nach beschaulicher italienischer
Einöde.
Doch Maja hat bereits eine Idee. Ohne ein Wort der Erklärung
schnappt sie sich ihren Laptop vom Schreibtisch und
hackt im Eiltempo in die Tasten. Schon nach wenigen Minuten
setzt sie sich mit einem zufriedenen Schnaufen wieder zu
mir auf den Boden und streckt mir das Ergebnis ihrer Internetrecherche
hin.
»Sprachreisen New York,
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