New York - Love Story
Ich würge den
Kloß in meinem Hals energisch hinunter.
»So, jetzt mal der Reihe nach.« Maja nimmt meine Hand
in ihre. »Erzähl«, fordert sie mich auf.
Stockend beginne ich meinen Bericht über diesen grauenvollen
Abend, der doch eigentlich so großartig werden sollte.
»Mario hat mich um acht wie besprochen reingelassen …«
»Mario, dieser Computer-Freak?«, fällt Maja mir sofort ins
Wort.
»Jaaa«, erwidere ich gedehnt. »Warum willst du das jetzt
wissen?«
»Ich will nur sichergehen, dass ich jedes Detail richtig verstehe«,
erklärt Maja. Genervt schüttele ich den Kopf. Meine
beste Freundin kann manchmal ganz schön umständlich sein.
»Also, der Nerd macht dir die Tür auf«, nimmt Maja den
Faden wieder auf.
»Genau.« Ich streife meine Chucks von den Füßen und
setze mich im Schneidersitz auf Majas Bett. »Ich bin dann in
Simons Zimmer gegangen und habe alles genau so gemacht,
wie wir es besprochen hatten.«
Plötzlich sprudeln die Worte aus mir heraus wie eben noch
meine Tränen. Ich erzähle Maja von den liebevollen Vorbereitungen,
die ich getroffen habe, wie ich mich gestylt habe,
um dann stundenlang dreiviertelnackt auf Simon warten zu
müssen. Auch die beiden Gläser Sekt und ihre Auswirkungen
auf meinen Gleichgewichtssinn verschweige ich Maja
nicht, was mir ein tadelndes Kopfschütteln einbringt. Maja
ist nicht nur Vegetarierin, sondern lebt auch alkoholisch gesehen
abstinent. Ständig warnt sie mich vor den Risiken, die
meine Schwäche für fettes Fast Food und meine seltenen Begegnungen
mit Alkohol für meine Gesundheit bedeuten. In
Anbetracht meines pochenden Kopfes bin ich heute geneigt,
ihr zumindest in Bezug auf Letzteres uneingeschränkt recht
zu geben. Doch zurück zu meinem eigentlichen Problem!
»Und dann kam Simon endlich. Um drei Uhr nachts! Stell
dir das vor!«, ereifere ich mich. »Und erzählt mir, dass er mit
seiner Band morgen schon nach New York verschwinden
will. Statt heißem Sex habe ich eine eiskalte Abfuhr von ihm
kassiert!«
Maja wirkt schockiert, allerdings nicht ganz so schockiert,
wie ich das von meiner besten Freundin erwarten würde.
»Dass ihm seine Musik superwichtig ist, hast du gewusst«,
gibt sie zu bedenken. »Im Grunde hat dir das an ihm besonders
imponiert.«
»Ja, schon«, gebe ich zu und versinke in Gedanken. Natürlich
hat Maja recht. Simon lebt für seine Musik. Genau das
finde ich an ihm so toll. Deshalb habe ich immer ein Auge zugedrückt, wenn er sich wegen einer Probe verspätet oder
ein Treffen mit mir sogar ganz verschwitzt hat. Außerdem hat
er mir ganz süße Geschenke als Entschuldigung mitgebracht.
Zum Beispiel ein Plüschäffchen für meinen Schlüsselbund,
als Dank dafür, dass ich nicht so ein Klammeraffe bin wie andere
Mädchen, hat er gesagt. Aber dass ihm die Band wichtiger
ist als ich, damit hatte ich nicht gerechnet!
»Erde an Planet Niki. Gibt es intelligentes Leben dort
oben?« Maja klopft sanft gegen meine Stirn. Wider Willen
muss ich grinsen.
»Ja, es gibt dort Leben. Ob es intelligent ist, weiß ich allerdings
nicht«, schränke ich ein. Nachdenklich füge ich hinzu:
»Ich kann einfach nicht glauben, dass es Simon ernst ist. Mit
dem Schlussmachen, meine ich. Gerade weil ihm die Musik
so wichtig ist, denkt er vielleicht, er müsse seine Karriere jetzt
über alles andere stellen. Und macht mit mir Schluss, weil er
mich nicht hinhalten will.«
Maja zieht ihre tadellos gezupften Augenbrauen fragend
zusammen.
»Na ja, er will nach New York gehen. Das verstehe ich gut.
Das ist seine große Chance. Und sicher glaubt er, dass es
nicht fair wäre, von mir zu verlangen, dass ich auf ihn warte.
Zumal nicht klar ist, wann das Warten ein Ende hat. Aber ich
bin bereit zu warten, Maja! Egal, wie lange es dauert.«
Majas Brauen stoßen an der Nasenwurzel fast zusammen,
so sehr hat sie die Stirn gerunzelt.
»Was?«, frage ich irritiert. »Was denkst du?«
Maja seufzt. »Ich denke, dass Simon sich bei Weitem nicht
so viele Gedanken gemacht hat, wie du es gerade tust.«
»Genau«, erwidere ich aufgeregt. »Und das ist das Problem.
Er kann sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen, dass ich ihn
so sehr liebe, dass ich auf ihn warten würde, auch wenn er ans
andere Ende der Welt geht.«
»Wohl kaum«, stimmt Maja mir zu.
»Ich muss es ihm sagen!« Der Gedanke ist so logisch, dass
ich gar nicht kapiere, warum ich nicht vorher darauf gekommen
bin.
»Ihm was sagen?«, fragt Maja.
»Na, dass ich ihn liebe und auf ihn warten werde.«
Weitere Kostenlose Bücher