Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
sagte er. «Er wird bald ahnen, dass mit seinen Plänen etwas schief gegangen ist. Vielleicht hört er ja sogar etwas, was ihn in die Flucht treibt. Nein, wir tun gut daran, ihm sogleich nachzusetzen.»
    «Aber wie denn?», fragte ich. «Wir wissen doch nicht, wo er hingegangen ist. Außer er wäre in Westminster Hall.»
    Newton schüttelte den Kopf. «Es ist längst dunkel. Die Läden dort sind schon geschlossen. Nein, ich bin der Meinung, dass er woanders ist.»
    «Natürlich», sagte ich. «Im Swan with Two Necks in der Tuttle Street. Oder vielleicht auch in der Baptistenkirche in Wapping.»
    «Mag sein, dass er dort ist», räumte Newton ein. «Mag aber auch sein, dass wir ihn an einem anderen Ort finden.»
    «Ich muss gestehen, ich wüsste nicht, wo wir suchen sollten», sagte ich.
    «Diese Pfeife ist noch warm», sagte Newton und reichte sie mir.
    -354-

    «Tatsächlich», sagte ich. «Dann kann er noch nicht lange weg sein.»
    «So ist es. Aber schaut genau hin. Diese dicke schwarze Kruste im Pfeifenkopf, das ist kein Tabak.»
    «Es sieht aus wie getrockneter Sirup», sagte ich, während ich den Pfeifenkopf untersuchte. «Was ist das? Holzkohle?»
    «Nein, Holzkohle ist es auch nicht. Erinnert Ihr Euch, als wir Mister Oates trafen, wie schwärzlich da seine Finger waren?
    Und welch eigentümlicher Geruch ihm anhaftete?»
    «Ja, höchst sonderbar. Denn mir war, als hätte ich diesen Geruch schon einmal irgendwo gerochen.»
    «In Southwark», sagte Newton. «In dem Haus, in dem Ihr gelandet seid, als Ihr den armen Major Mornay verfolgtet.»
    «Ja», sagte ich. «Woher wisst Ihr das?»
    «Das hier ist Opium», sagte Newton und tippte auf den Kopf der Tonpfeife. «Paracelsus und in jüngerer Zeit ein englischer Apotheker namens Thomas Snydenham lernten, in Sherry gelöstes Opium zu medizinischen Zwecken zu nutzen.
    Hierzulande kennt man es als Laudanum. Die Holländer hingegen haben die Sitte eingeführt, es zu rauchen und in der Türkei, wo man das schon seit langem praktiziert, nennt man das Opium Mash Allah, was so viel heißt wie ‹Werk Gottes›.»
    «Sie waren Holländer. Die Leute, die jenes verruchte Haus in Southwark führten.»
    «Das sagtet Ihr mir damals schon. Opium ist überaus wirksam zur Schmerzlinderung, was in der Tat eine Gottesgabe ist, aber wenn man es raucht, ist es auch eine verzehrende Sucht. Wer Opium geraucht hat, wird wahrscheinlich auch Schläge leichter ertragen.»
    «Ich ahne, was Ihr meint, Sir.»
    «Was mich alles in allem zu der Annahme bringt, dass wir, sollte Mister Oates nicht im Swan in der Tuttle Street zu finden
    -355-

    sein, gut daran täten, in Southwark nach ihm zu suchen. Habt Ihr Mister Oates nicht einmal in Southwark aus den Augen verloren, als Ihr ihm folgtet? Noch ehe Ihr wusstet, dass er es war?»
    «Doch, Sir», sagte ich. «Und wenn ich's recht bedenke, war das gar nicht weit von jenem Etablissement, welches Mornay aufsuchte.»
    «Das würde auch erklären, warum Euch Mornay nicht gleich erkannte. Er war wahrscheinlich vom Opium betäubt. Ihr sagtet doch selbst, dass Ihr ihn für betrunken hieltet.»
    «Ich wäre auch bald trunken gewesen, hätte ich mich noch länger in jenem Haus aufgehalten. Diese Dämpfe waren höchst berauschend.»
    «Würdet Ihr das Haus wieder finden?»
    «Ich glaube schon.»
    «Gut. Wir werden im Swan vorbeischauen und wenn er dort nicht ist, begeben wir uns zum Fluss hinunter und setzen über.»
    Wir nahmen die Männer des Lordschatzmeisters mit, wenn diese sich auch zweifellos wünschten, woanders zu sein, da Newton sie mit solcher Verächtlichkeit behandelte, nachdem Oates vor ihrer Nase aus dem Haus im Axe Yard verschwunden war. Im Swan in der Tuttle Street war von dem Schurken keine Spur zu entdecken und so waren wir bald darauf drüben in Southwark, wo sich wie beim letzten Mal dichter Nebel auf die niedrigen Dächer und brüchigen Kamine herabsenkte. Es gab hier nur wenige Lichter, welche uns den Weg erhellten und ein-, zweimal glitten wir im Morast des Sumpflandes aus, sodass wir ordentlich nass und schmutzig waren, als ich uns endlich nach bestem Vermögen zum Hause des Holländers geführt hatte.
    Newton schickte zwei von den Männern des Lordschatzmeisters zur Hintertür, für den Fall, dass Oates auf diesem Weg zu entschlüpfen suchte und warnte sie, dass sie, falls der Gesuchte entkäme, teuer dafür bezahlen würden. Dann zog ich wieder
    -356-

    meine Pistolen und pochte im Namen des Königs an die Vordertür.
    Schließlich

Weitere Kostenlose Bücher