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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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dem Boar's Head Yard traten und in unverkennbarer Absicht auf uns zukamen.
    «Achtung, Sir», rief ich Newton zu und schob ihn hinter mich.
    Wäre es nur einer gewesen, hätte ich selbst blankgezogen und den Fechtkampf aufgenommen, aber da sie zu zweit waren, blieb mir nichts anderes, als mich meiner Pistolen zu bedienen.
    Bei deren Anblick flohen die beiden Kerle in den George Yard auf der anderen Seite des Leg und in der Meinung, sie in die Enge getrieben zu haben, wollte ich ihnen schon nachsetzen, überlegte es mir dann aber anders und zog mich wieder auf die King Street zurück. Was nur gut war, denn die beiden waren durch die Hintertür ins Leg geschlüpft und kamen jetzt durch die Vordertür wieder heraus, unmittelbar hinter Newton und mit gezückten Degen. Der eine Schurke stürzte auf meinen Herrn los, aber dieser sah den Angreifer aus dem Augenwinkel und konnte sich gerade noch zur Seite krümmen, sodass die Klinge lediglich seinen Rock durchstieß.
    Ich zauderte nicht. Und fehlte auch nicht. Den einen Burschen traf ich seitlich ins Gesicht und wenn ich ihn auch nicht tötete, erwartete ihn doch, so wie sein Mund zugerichtet war, gewiss der Hungertod. Den zweiten traf ich mitten ins Herz, sofern er eins hatte. Newton war zwar über und über mit dem Blut des einen Kerls bespritzt, aber unverletzt. Er schien jedoch einen ziemlichen Schock davongetragen zu haben, denn er zitterte wie ein Tansey-Pudding.
    «Seht Euch meinen Rock an», sagte er und bohrte den Zeigefinger in das Loch, welches die Klinge im Tuch hinterlassen hatte.
    «Besser als Euer Bauch», sagte ich.
    «Das ist wahr.»
    Auf die Entdeckung des Lochs hin sah sich Newton gezwungen, im Leg zur Beruhigung seiner Nerven ein Glas Branntwein zu ordern.
    -347-

    «Wieder einmal habe ich Euch und Eurer meisterlichen Schützenkunst zu danken», sagte Newton, der immer noch ungemein blass wirkte. Er setzte das Glas an die Lippen und leerte es dankbar.
    «Ich muss gestehen, ich bin nicht auf die Idee gekommen, dass sie am helllichten Tag versuchen könnten, mich umzubringen.»
    «Wir wissen nicht, ob sie's nicht noch einmal versuchen», sagte ich.
    «Dass diese beiden es noch einmal versuchen, glaube ich nicht», bemerkte Newton.
    «Aber vielleicht andere», sagte ich. «Von jetzt an dürfen wir uns in der City nur noch per Kutsche bewegen.»
    «Ja», sagte er tonlos, da ihm die Furcht vor einem weiteren Mordversuch beinahe den Atem nahm. «Da habt Ihr wohl Recht.
    Von jetzt an nur noch per Kutsche, ja. Das ist sicherer.»
    Ein Konstabler erschien und Newton erklärte, dass die beiden Schurken gewöhnliche Straßenräuber seien, welche ihm den Geldbeutel hätten abnehmen wollen.
    «Warum habt Ihr das gesagt?», fragte ich, als der Konstabler wieder gegangen war.
    «Weil es das ist, was ich glauben würde, wüsste ich nichts von der Grünbändlerverschwörung», erklärte er. «Ich sehe keine Veranlassung, an die große Glocke zu hängen, dass man mich umbringen wollte. Wir dürfen nichts sagen oder tun, was die Verschwörer alarmieren könnte, ehe Lord Halifax nicht bereit ist, gegen sie vorzugehen.»
    «Bis das alles vorbei ist», erklärte ich, «dürft Ihr nicht mehr allein sein.»
    «Ja, da habt Ihr Recht. Ihr müsst in die Jermyn Street ziehen.
    Jedenfalls bis diese ganze Sache vorbei ist.»
    Und so kam es, dass ich für eine Weile in der Jermyn Street wohnte.
    -348-

    Miss Barton mied es die meiste Zeit, mit mir allein zu sein, aber eines Tages, als Newton in seinem Zimmer ruhte und es draußen überaus unfreundlich war, fanden wir uns plötzlich miteinander allein. Ich hatte keine Ahnung, wie ich auf ihre Reserviertheit mir gegenüber zu sprechen kommen sollte, aber ich wusste, ich musste etwas sagen, oder ich würde sterben.
    «Wollt Ihr Dame spielen, Miss Barton?»
    «Nein danke, Sir, ich bin am Lesen.»
    «Ach, wollt Ihr wirklich nicht spielen? Ich bin seit unserem letzten Kräftemessen viel besser geworden. Ich lerne viel von des Doktors Spielweise.»
    Sie blätterte in beredtem Schweigen um.
    «Miss Barton», sagte ich schließlich, «ich nehme das, was einst zwischen uns war, als Rechtfertigung, Euch jetzt zu fragen, ob Ihr es für möglich haltet, mich jemals wieder als Euren Freund zu betrachten?»
    Sie sagte nichts, las einfach nur weiter.
    «Ob irgendeine Wahrscheinlichkeit besteht, dass Ihr je bereit sein werdet, mir zu verzeihen?»
    Jetzt sah sie mich, über die Oberkante ihres Buchs hinweg, streng an. «Es geht, wie ich Euch bereits

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