Newtons Schatten
Grunde und da es in meiner Macht steht, dies zu tun, habe ich beschlossen, meinem Gehilfen das Münzwarthaus im Tower zu überlassen, samt allen Privilegien, die dieser Wohnort bietet.»
«Das ist sehr großzügig, Sir», sagte ich und grinste jetzt wie ein Schwachsinniger. Denn das war mehr, als ich jemals erwartet hätte. Seit ich das Gray's Inn verlassen hatte, logierte ich in der King Street in Westminster, aber das war ein armseliges Quartier und mein Herz hüpfte bei dem Gedanken, ein ganzes Haus für mich zu haben, noch dazu eins im Freibezirk des Towers, wo man der Besteuerung gänzlich entging.
«Nach meinem Amtsantritt im April habe ich selbst eine Weile dort gewohnt, ehe ich dann im August hierher in die Jermyn Street gezogen bin. Tatsächlich ist die Münze entsetzlich laut, wegen der Walzmaschinen, die dort die ganze Nacht laufen und nach der Ruhe und dem Frieden in Cambridge konnte ich das einfach nicht aushalten. Aber Ihr seid ein junger Bursche und es ist meine Erfahrung, dass die Jungen mehr Lärm vertragen als
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die Älteren. Außerdem erwarte und hoffe ich, dass meine Nichte im Dezember zu mir ziehen wird und die Münze ist ein schmutziger, unbekömmlicher Ort mit vielen rüpelhaften Gesellen und schlechter Luft, was mich darin bestärkt, nicht dort zu wohnen. Nun, Sir, was sagt Ihr? Es ist ein feines kleines Haus mit einem Garten.»
Ein ganzes Haus mit Garten. Das war zu viel. Und doch trieb es mich, noch mehr zu fordern. Ich sagte ja schon, dass mich die Last meiner eigenen Unwissenheit zu drücken begann und plötzlich ging mir auf, dass da in Newtons ganzer Art etwas war, was mich glauben machte, viel von ihm lernen zu können. Und mir kam die Idee, das zur Bedingung zu machen. Denn ich hatte die Vorstellung, die Gedankengänge eines Mannes, der so viele Mysterien der Wissenschaft und Philosophie durchdrungen hatte, zu kennen hieße die Gedankengänge Gottes zu kennen.
Was doch einmal etwas anderes wäre als immer nur die Gedankengänge von Huren und Spielern.
«Ja, Sir», sagte ich. «Ich will für Euch arbeiten. Aber unter einer Bedingung.»
«Nennt sie, Mr. Ellis.»
«Dass Ihr meiner Unwissenheit abhelfen werdet, wo immer sie zutage tritt, denn ich weiß, Ihr seid ein gelehrter Mann. Ich wünsche mir, dass Ihr mir etwas von der Welt zeigt, wie Ihr sie versteht und mit mir über die Natur der Dinge redet, um mir dazulernen zu helfen. Denn ich muss gestehen, das Universitätsstudium hat mir ein gewisses Verständnis der Klassiker und der Sanderson'schen Logik gebracht, aber viel mehr auch nicht. Ich will für Euch arbeiten, Sir. Aber was in mir dunkel ist, das bitte ich Euch zu erhellen. Und was niedrig und gemein ist, das mögt Ihr erheben und läutern.»
«Wohl gesprochen, Sir. Nur ein gescheiter Mann gesteht seine Unwissenheit ein, zumal wenn er ein Universitätsexamen hat.
Aber seid gewarnt. Ich war nie ein besonders guter Tutor. In
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meiner ganzen Zeit in Cambridge hat das Trinity College nur drei Studenten meinem Tutorium unterstellt und diese drei nahm ich mehr des Geldes wegen an als aus dem Verlangen, Mittelpunkt eines modernen Lyzeums zu sein. Es ist immer schwer zu sagen, wie einen die Welt sieht, aber ich glaube aufrichtig, dass ich mir nur so viel Wissen angeeignet habe, um mir zu bestätigen, wie wenig ich von der Welt weiß. Ich vermute, dass es das ist, was meine rabbinische Seite, so ich denn eine solche habe, verdrießt. Aber ich nehme Eure Bedingung an. Ich weiß nicht, was, aber etwas werde ich schon in Euren jungen Schädel trepanieren. Also, schlagt ein.»
Ich drückte Newtons kalte, dünne Hand, ja, ich küsste sie sogar, denn jetzt gehörte sie dem Herrn und Meister, dem ich es verdankte, dass meine Gegenwart und meine Zukunft schon wieder um einiges rosiger aussahen.
«Ich danke Euch, Sir», sagte ich. «Ich werde mich bemühen, mein Bestes für Euch zu tun.»
«Ich werde heute noch ans Schatzamt schreiben», sagte Newton.
«Dort wird man Eure Anstellung absegnen müssen. Aber ich zweifle nicht, dass sie meine Wahl billigen werden. Und dann müsst Ihr einen Eid leisten, strengstes Stillschweigen über Mister Blondeaus Methode der Münzrändelung zu bewahren, obwohl das meiner Meinung nach nicht so ein großes Geheimnis sein kann, wenn man, wie ich hörte, dieselbe Maschine in der Pariser Münze Besuchern freimütig zeigt.
Doch zuerst lasst uns etwas Apfelwein trinken, danach werde ich den Brief schreiben und dann fahren wir mit meiner Kutsche
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