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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Ihr Gesicht war nicht besonders hübsch, aber sehr auffallend und anziehend. Ihre Nase war vielleicht ein bißchen lang und dick, aber sie paßte zu ihrer Persönlichkeit, zu ihrer lachenden Fud, meine ich. Aber sobald ich anfing, ihren Körper mit dem Monas zu vergleichen, wußte ich, daß es keinen Zweck hatte, damit fortzufahren. Was für Fleisch- und Bluteigenschaften sie auch hatte, sie blieb eben Fleisch und Blut. Es war nicht viel mehr an ihr, als was man sehen und berühren, hören und riechen konnte. Bei Mona war das ganz anders. Jeder Teil ihres Körpers entflammte mich. Ihre Persönlichkeit steckte sozusagen ebenso in ihrer linken Brustwarze wie in ihrem rechten kleinen Zeh. Die Stimme des Fleisches sprach aus jedem Körperteil, aus jeder Biegung ihrer Gliedmaßen. Dabei war ihr Körper durchaus nicht vollkommen. Aber er war melodiös und aufreizend. Ihr Körper war das Echo ihrer Stimmungen. Sie brauchte ihn nicht zur Schau zu stellen und auszustrecken. Sie brauchte ihn nur zu bewohnen, in ihm dazusein .
    Monas Körper hatte auch noch diese Besonderheit: Er veränderte sich ständig. Wie gut erinnere ich mich an jene Zeit, als wir bei der Arztfamilie in der Bronx wohnten, wie wir immer zusammen unter die Brause gingen, einander abseiften, uns umarmten und fickten, so gut wir nur konnten — unter der Brause —, während die Schaben, wie Armeen in sinnloser Flucht, die Wände auf und nieder strömten. Ihr Körper ging damals aus dem Leim, aber ich liebte ihn dennoch. Das Fleisch hing ihr in Falten von den Hüften. Die Brüste fielen schlaff herunter, ihr Popo war zu flach, zu knabenhaft. Aber dieser Körper hatte, wenn er in einem steifen, getüpfelten Dirndlkleid steckte, den ganzen Reiz und den ganzen Zauber einer Soubrette. Der Hals war voll gerundet, einen Säulenhals nannte ich ihn immer, und er paßte zu der vollen, dunklen, vibrierenden Stimme, die aus ihm ertönte. Im Laufe von Monaten und Jahren machte dieser Körper alle möglichen Wandlungen durch. Manchmal straffte er sich, spannte sich wie ein Trommelfell. Dann wieder wurde er fast zu zierlich, zu schlank, veränderte sich aufs neue, wobei jeder Wechsel ihre innere Umgestaltung, ihre seelischen Schwankungen, Stimmungen, Sehnsüchte und Enttäuschungen wiedergab. Immer blieb er aufreizend, höchst lebendig, prickelnd, pulsierend von Liebe, Zärtlichkeit und Leidenschaft. Jeden Tag schien er eine neue Sprache zu reden.
    Welche Anziehung konnte also der Körper einer anderen auf mich ausüben? Höchstens eine schwache, rasch vorübergehende. Ich hatte den Körper gefunden, ich brauchte keinen anderen mehr. Kein anderer würde mich je wieder voll befriedigen. Nein, der lachende, heitere Typ war nicht für mich bestimmt. Man drang in diesen Körper ein wie das Messer in ein Stück Pappe. Ich sehnte mich nach dem Entgleitenden, schwer Faßbaren. (Dem flüchtigen Basilisk, wie ich ihn bei mir nannte.) Dem zugleich Entgleitenden und Unersättlichen. Von einem Körper, wie er Mona eigen war, wurde man um so mehr besessen, je mehr man ihn besaß. Ein Körper, der alle Plagen Ägyptens mit sich bringen konnte, aber auch seine Wunder und Großherzigkeiten.
    Ich versuchte es mit einem anderen Tanzsaal. Alles war vollkommen - die Musik, die Beleuchtung, die Mädchen, selbst die Ventilatoren. Aber nie hatte ich mich einsamer und trostloser gefühlt. Verzweifelt tanzte ich mit einer nach der anderen. Alle waren entgegenkommend, nachgiebig, fügsam, lenkbar, alle anmutig, liebenswürdig, seidig glatt und dunkel, aber es hatte mich eine Hoffnungslosigkeit ergriffen, die mich niederschmetterte. Je mehr der Nachmittag vorrückte, desto stärker wurde mein Ekel. Besonders die Musik machte mich krank, wie oft hatte ich diese faden, kraftlosen, völlig idiotischen Melodien mit ihren schnulzigen Texten gehört! Das Produkt von Zuhältern und Kupplerinnen, die nie den Schmerz der Liebe kennengelernt hatten. «Embryonisch», sagte ich mir immer wieder. Die Musik von Embryonen für Embryonen. Das Faultier, das in anderthalb Meter hohem Kanalwasser nach seinem Genossen ruft; das Wiesel, das um seine verlorene Geliebte weint und in seinem eigenen Urin ertrinkt. Romantik oder die Paarung des Veilchens mit der Stinkmalve. Ich liebe dich! - geschrieben auf dünnem, von tausend überfeinen Rippchen durchzogenen Klosettpapier. Von räudigen Päderasten erfundene Verse; Lyrik von Eiweiß und Co. Pfui!
    Als ich aus dem Lokal flüchtete, dachte ich an die afrikanischen

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