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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Mänaden der alten Zeit beim Wimmern von Saxophonen und gestopftem Horn wiedergeboren; hier nehmen die Mumien der Wolkenkratzer ihre entzündeten Eierstöcke heraus und lüften sie, während die unaufhörliche Musik die Poren vergiftet, den Geist betäubt und die Schleusentore öffnet. Mit dem Dunst und dem Schweiß, dem ekelerregenden, überwältigenden Dampf von Parfüms und Deodorans, einem dichten Qualm, der diskret von den Ventilatoren verschluckt wird, hing der elektrisierende Geruch der Wollust wie ein Glorienschein im Raum.
    Neben dem Stand mit den Hershey-Schokoladetafeln, die wie kostbare Goldbarren übereinandergestapelt sind, gehe ich auf und ab. Ich werde von den Tanzenden gestreift. Tausend Lächeln regnen aus allen Richtungen; ich hebe mein Gesicht, als wollte ich die von einem sanften Wind verteilten schimmernden, tauigen Tropfen einfangen. Lächeln, nichts als Lächeln. Als ginge es nicht um Leben und Tod, um ein Wettrennen zur Gebärmutter und zurück. Geflatter und frou-frou von Röcken, Geruch von Kampfer und Fischklößen, Omegaöl, Flügel zu voller Spannweite entfaltet, Glieder, die sich nackt anfühlen, feuchte Handflächen, schweißglitzernde Stirnen, ausgedörrte Lippen, heraushängende Zungen, Zähne schimmernd wie auf Zahnpastareklamen, glänzende Augen, die überall suchen, die einen nackt ausziehen .. . stechende, durchdringende Augen, die einen goldgierig, die anderen fickgierig, einige mordgierig, aber alle strahlend, schamlos, leuchten unschuldig, wie die rote Mähne des Löwen, und tun dabei so, ja, tun so, als sei es Samstagnachmittag, als sei dies ein Tanzboden wie jeder andere, als sei eine Fud der andern gleich, und nicht: erst zahl mich, dann fick mich, kauf mich, nimm mich, quetsch mich, alles in bester Ordnung im Itchigumi, tritt mich nicht, verdammt warm hier, ja, so hab ich's gern, so hab ich's sehr gern, beiß mich noch mal, fester, fester :..
    Sie verwoben sich miteinander und lösten sich wieder, schätzten einander ab - Größe, Gewicht, Gestalt -, rieben die Flanken aneinander, maßen mit den Augen Busen, Taille und Hinterteil, studierten die Frisuren, die Nasen, die Haltung — die einen vor Begierde den Mund weit offen, andere geschlossen -, ballten sich zusammen, bewegten sich seitwärts, stießen sich, rieben sich, und überall ein Gesichtermeer, ein Fleischmeer, von schwertscharfen Lichthieben durchschnitten, und der ganze Packen zu einem einzigen terpsichoreischen Eintopf zusammengekocht. Und über diesem heißen, konglomerierenden Fleisch, das in der riesigen Kuchenform herumwirbelte, klang das Geschmetter der Blechinstrumente, das Jammern der Posaunen, die heulenden Saxophone, die schrillen Trompeten, alles wie flüssiges Feuer, das direkt in die Drüsen ging. Auf den Seitenregalen stehen aufgerichtet wie durstige Schildwachen Behälter mit Orangeade, Limonade, Sassaparilla, Coca-Cola, Nährbier, Eselinnenmilch und der Quetschbrei verwelkter Anemonen. Über allem das fast unhörbare Gesumme der Ventilatoren, die den saueren, ranzigen Geruch von Fleisch und Parfüm einsaugen und ihn über die Köpfe der Straßenpassanten ausatmen.
    Finde eine! Das war alles, was ich denken konnte. Aber wen? Ich wanderte hierhin und dorthin, aber keine paßte mir. Einige waren wundervoll, bezaubernd, ein Fach, ein Stück Hintern, aber ich brauchte mehr als das. Es war ein Basar, ein Fleischbasar - warum nicht wählen und zugreifen? Die meisten hatten den leeren Blick, wie ihn nur leere Seelen haben, und das waren sie. Wie sollte es auch anders sein, da sie es doch tagaus, tagein nur mit Waren und Geld zu tun hatten, mit Preisauszeichnungen, Knöpfen, Geschirr und Frachtbriefen? Sollten sie dazu auch noch Persönlichkeit haben? Manche waren schwer in einer bestimmten Kategorie unterzubringen, sie hatten etwas Raubvogelartiges an sich, ein vom Sturm angetriebenes Strandgut. Sie waren weder Schlampen noch Huren, noch Ladenmädchen, noch Griseldas. Manche glichen verwelkten Blumen oder in nasse Handtücher gewickelten Rohrstengeln. Andere, rein wie Vogelmiere, schienen ihrem Aussehen nach die Hoffnung zu haben, genotzüchtigt zu werden, ohne dabei ernsten Schaden zu nehmen. Die guten, lebenden Köder, die zum Anbeißen verlockten, waren alle auf dem Tanzboden, schlängelten sich, wackelten hin und her, wobei ihre beredten Lenden wie Moireseide glitzerten.
    In einer Ecke neben der Tanzkapelle standen die vom Lokal angestellten Tänzerinnen. Sie sahen so hell und frisch aus, als wären

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