Nexus
würde am Donnerstag eintreffen, da stand es ganz klar. Ja, diesen Donnerstag, nicht den nächsten oder übernächsten. Diesen Donnerstag . Es war unglaublich.
Ich mußte mich sofort nach einer Wohnung umschauen, irgendwo ein gemütliches, nettes Zimmer finden, dasnicht zu teuer war. Das bedeutete, daß ich wieder Geld borgen mußte. Von wem? Gewiß nicht von Tony. Meine Leute waren nicht gerade begeistert von der Neuigkeit. Die einzige Bemerkung meiner Mutter war: «Hoffentlich wirst du jetzt, wo sie wiederkommt, deine Stelle nicht aufgeben.»
Der Donnerstag kam. Eine Stunde vor der angegebenen Zeit stand ich auf dem Kai. Sie hatte einen der deutschen Schnelldampfer genommen. Das Schiff lief mit etwas Verspätung ein. Die Passagiere stiegen aus, die Gepäckberge schmolzen zusammen, aber von Mona oder Stasia war nichts zu sehen. Kopflos rannte ich zum Büro der Schiffahrtsgesellschaft, wo die Passagierliste auflag. Weder Monas noch Stasias Namen standen auf der Liste.
Ich kehrte mit bleischwerem Herzen zu dem kleinen Zimmer zurück, das ich gemietet hatte. Sie hätte mir doch wenigstens ein Telegramm schicken können! Das war grausam, scheußlich grausam von ihr.
Am nächsten Morgen, kurz nach meiner Ankunft im Büro, rief das Telegrafenamt an. Es sei ein Funktelegramm für mich da. «Lesen Sie!» schrie ich. (Worauf warteten denn diese Idioten noch?)
Das Telegramm lautete: «Komme Samstag mit der Berengaria. Herzliche Grüße.»
Diesmal klappte es. Ich sah sie das Fallreep hinuntersteigen. Sie, sie! Entzückender als je. Außer einem kleinen Koffer trug sie eine Handtasche und eine Hutschachtel, die mit allerhand Sachen vollgestopft war. Aber wo war Stasia?
Stasia war noch in Paris. Wann sie kommen würde, konnte Mona nicht sagen.
«Wunderbar!» dachte ich. Über Stasia brauchte ich dann keine weiteren Erkundigungen einzuziehen.
Als wir im Taxi saßen und ich ihr von dem Zimmer erzählte, das ich gemietet hatte, war sie begeistert. «Wir werden später schon was Besseres finden», bemerkte sie. («Nein, nein!» sagte ich zu mir selbst. «Warum was Besseres?»)
Ich hätte ihr gern tausend Fragen auf einmal gestellt, aber ich hielt mich zurück. Ich erkundigte mich nicht einmal, warum sie ein anderes Schiff genommen hatte. Was gestern, vor einem Monat oder vor fünf Jahren gewesen war, bedeutete nichts mehr. Sie war wieder da - das genügte.
Ich brauchte auch gar nicht zu fragen — sie erzählte mir alles von selbst, sprudelte alles nur so heraus. Ich mußte sie bitten, das Tempo zu mäßigen, nicht alles auf einmal auszuschütten. «Spare etwas für später auf», sagte ich.
Während sie in dem Koffer herumkramte - sie hatte alle möglichen Geschenke mitgebracht, darunter Bilder, Holzskulpturen, Kunstbücher , — konnte ich meiner Begierde nicht widerstehen. Wir erledigten die Sache auf dem Boden zwischen den Papieren, Büchern, Bildern, Kleidungsstücken, Schuhen und wer weiß noch was allem. Aber selbst diese Unterbrechung konnte ihren Redefluß nicht aufhalten. Es gab so viel zu erzählen, so viele Namen abzuhaspeln. In meinen Ohren klang das alles wie ein verrücktes Durcheinander.
«Sage mir nur eins», unterbrach ich sie, «bist du sicher, daß es mir drüben gefallen wird?»
Ihr Gesicht bekam einen absolut ekstatischen Ausdruck. «Gefallen? Oh, Val, es ist alles dort, wovon du dein ganzes Leben lang geträumt hast. Dort gehörst du hin. Noch mehr als ich. Dort ist alles, was du suchst und hier niemals finden wirst. Alles.»
Sie legte von neuem los, erzählte mir von den Straßen, von den winkligen Gassen, von den Impasses, von den reizenden kleinen Plätzen, den großen breiten Boulevards, wie sie vom Etoile ausgingen, den Märkten, den Metzgerläden, den Bücherständen, den Brücken, den Polizisten auf Fahrrädern, den Cafes, den Cabarets, den Parkanlagen, den Springbrunnen und sogar von den Pissoirs — als wäre sie Fremdenführerin bei Cook. Ich konnte nichts tun, als die Augen rollen und den Kopf schütteln und in die Hände klatschen. «Wenn es nur halb so schön ist», dachte ich bei mir, «muß es großartig sein.»
Eine Note in diesem Jubellied klang jedoch nicht so rein. Mit den Französinnen war sie nicht ganz einverstanden. Sie seien entschieden nicht schön, behauptete sie. Anziehend, ja, aber keine solche Schönheiten wie unsere amerikanischen Frauen. Die Männer dagegen seien interessant und lebhaft, aber man würde sie nur schwer wieder los. Sie glaube, die Männer würden
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