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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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sie gerade dem Bade entstiegen. Alle waren schön frisiert und tadellos angezogen. Sie warteten darauf, daß jemand sie bezahlte und, wenn das Glück günstig war, sie zu einem guten Essen mit gutem Wein führte. Warteten, ob wohl der Richtige für sie käme, ein abgematteter Millionär vielleicht, der ihnen in einem Augenblick der Vergeßlichkeit einen Heiratsantrag machte.
    Ich stand am Geländer und überschaute sie kühl. Wenn wir jetzt im Yoshiwara wären... Dort brauchte man ihnen nur einen Blick zuwerfen, dann würden sie sich entkleiden, einige obszöne Gesten machen und einen mit heiserer Stimme rufen. Aber der Itchigumi-Tanzpalast hat ein anderes Programm. Er schreibt vor, daß man sehr höflich und freundlich die Blume seiner Wahl pflückt, sie auf den Tanzboden führt, sie wie ein Hahn umhüpft, ein wenig schnäbelt und ein wenig girrt, sich wackelnd im Kreise dreht, noch weitere Tanzkarten kauft, das Mädchen zum Getränkeausschank führt, sich anständig mit ihr unterhält, sich höflich verabschiedet - komme nächste Woche wieder -, sich eine andere schöne Blume wählt und dann — danke vielmals, gute Nacht.
    Die Musik bricht für eine Weile ab. Die Tanzenden schmelzen wie Schneeflocken. Ein Mädchen in einem blaßgelben Kleid gleitet zum Sklavinnenpferch zurück. Sie sieht aus wie eine Kubanerin. Ziemlich klein, gut proportioniert, mit einem anscheinend unersättlichen Mund.
    Ich warte eine Weile, um ihr Gelegenheit zu geben, den Schweiß abzutrocknen, dann gehe ich auf sie zu. Sie sieht aus wie achtzehn und frisch aus dem Dschungel. Ebenholz und Elfenbein. Sie begrüßt mich freundlich und natürlich — kein fabriziertes Lächeln, nicht direkt auf Barzahlung eingestellt. Sie ist noch nicht lange hier, wie ich feststelle, und tatsächlich aus Kuba. (Herrlich!) Kurz, sie macht kein Getue, wenn man ein bißchen hinlangt und hinschnappt, et cetera. Sie mischt noch Geschäft mit Vergnügen.
    In die Mitte des Tanzbodens gestoßen, eingekeilt, bleiben wir dort und machen raupenartige Bewegungen. Der Zensor, der für Sittsamkeit sorgen soll, schläft anscheinend. Die Musik kriecht wie eine bezahlte Hure von Chromosom zu Chromosom. Der Orgasmus tritt ein, sie rückt von mir weg, aus Angst, ihr Kleid könnte fleckig werden.
    Wieder am Geländer zurück, zittere ich wie Espenlaub. Fud, Fud, Fud ist alles, was ich jetzt noch rieche. Hat keinen Zweck, an diesem Nachmittag weiterzutanzen. Muß nächsten Samstag wiederkommen. Warum nicht?
    Und das tue ich auch. Am dritten Samstag stoße ich im Sklavinnenpferch auf eine neue. Sie hat einen wunderbaren Körper, und ihr Gesicht, hier und da bröcklig abgeblättert wie das einer alten Statue, erregt mich. Sie ist etwas intelligenter als die anderen, was kein Nachteil ist, und vor allem ist sie nicht geldgierig. Und das ist etwas ganz Außerordentliches.
    Wenn sie nicht arbeitet, führe ich sie ins Kino oder auf einen billigen Tanzboden in einer anderen Gegend. Ihr ist es ganz gleich, wohin wir gehen. Braucht nur ab und zu etwas Schnaps. Sie will sich nicht besaufen, nein, das nicht. Sie meint nur, es ginge dann alles leichter. Sie ist kein Stadtmädchen, sondern aus der Umgebung von New York.
    Nie gibt es eine Spannung in ihrer Gegenwart. Sie lacht gern, hat an allem Spaß. Wenn ich sie heimbringe - sie wohnt in einer Pension -, müssen wir uns auf dem Flur herumdrücken und dort so gut wie möglich fertig werden. Das macht einen nervös, weil die Gäste die ganze Nacht ein und aus gehen.
    Wenn ich mich von ihr trenne, frage ich mich manchmal, warum ich nie bei einer dieses leichten Typs hängengeblieben bin, statt immer nur bei den Schwierigen? Dieses Mädchen will nicht hoch hinaus; mit allem zufrieden, macht sich über nichts Gedanken. Sie hat nicht einmal Angst, «hereinzufallen», wie man so sagt.
    Es brauchte nicht viel Nachdenken, um zu entdecken, warum ich gegen diesen Typ immun war, nämlich weil ich mich in kurzer Zeit tödlich langweilte. Jedenfalls bestand keine Gefahr, daß ich ein ernstes Verhältnis mit ihr anfing. Ich hatte selbst keine feste Bleibe, wohnte sozusagen auch in Pension und scheute mich nicht einmal, der «Wirtin» ab und zu etwas Kleingeld aus der Börse zu klauen.
    Wie ich schon gesagt habe, hatte sie einen wundervollen Körper, dieser Nachtfalter. Sie war voll und doch schmiegsam, behend, glatt wie ein Seehund. Wenn ich die Hände über ihre Schenkel gleiten ließ, vergaß ich alle mäne Probleme, sogar Nietzsche, Stirner und Bakunin.

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