Nexus
nicht, was er mit solchem Gerede anfangen sollte. Es juckte ihn, etwas zu sagen, aber er wollte nicht unhöflich sein, mich nicht aus dem Konzept bringen. Daher rasselte ich weiter.
«Was wir brauchen ist Vereinfachung. Sehen Sie sich die Sterne an - sie haben keine Motoren. Haben Sie je darüber nachgedacht, warum diese Erde sich wie eine Kugel dreht? Nicola Tesla hat viel darüber nachgedacht, und auch Marconi. Noch keiner hat die endgültige Antwort gefunden.»
Er sah mich höchst bestürzt an. Was auch in seinem Geist vorging, an Elektromagnetismus dachte er sicher nicht.
«Verzeihung», sagte ich, «Sie wollten mir etwas sagen, nicht wahr?»
«Ja, aber ich möchte Sie nicht...»
«Ich habe nur laut gedacht.»
«Gut also . . .» Er räusperte sich. «Ich wollte Ihnen nur dies eine sagen . . . Wenn Sie drüben Schiffbruch erleiden sollten, so scheuen Sie sich nicht, mir ein Telegramm zu schicken - oder auch, wenn Sie länger bleiben wollen. Sie wissen, wo Sie mich erreichen können.» Er wurde rot und wandte den Kopf ab.
«Reb», sagte ich und gab ihm einen Stoß mit dem Ellbogen, «Sie sind einfach zu verdammt gut zu mir. Und Sie kennen mich kaum. Ich meine, Sie kennen mich erst kurze Zeit. Keiner meiner sogenannten Freunde würde so viel für mich tun, darauf können Sie Gift nehmen.»
Hierauf erwiderte er: «Ich fürchte, Sie wissen gar nicht, was Ihre Freunde für Sie tun könnten. Sie haben ihnen nie Gelegenheit gegeben, das zu zeigen.»
Da ging mir denn doch der Hut hoch. «Keine Gelegenheit, was? Mann, ich habe ihnen so viel Gelegenheit gegeben, daß sie nicht einmal mehr meinen Namen hören wollen.»
«Sind Sie nicht zu hart gegen sie? Vielleicht hatten sie nichts, was sie Ihnen geben konnten.»
«Ja, mit dieser Ausrede waren sie immer bei der Hand. Aber sie gilt nicht. Für einen Freund kann man sich immer etwas leihen, wenn man selbst nichts hat. Abraham opferte seinen Sohn, nicht wahr!»
«Für Jehova.»
«Ich habe keine Opfer von ihnen verlangt. Ich bat sie nur um Kleinigkeiten - Zigaretten, eine Mahlzeit, einen abgetragenen Anzug. Moment mal, ich muß mich berichtigen. Es gab Ausnahmen. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen Burschen. .. einen meiner Telegrammboten . . . aus der Zeit, als ich meinen Posten bei der Telegrafengesellschaft aufgegeben hatte . . . Als er hörte, daß es mir schlechtging, stahl er für mich. Er brachte uns ein Huhn oder Gemüse . .. manchmal auch nur einen Riegel Schokolade, wenn er sonst nichts auftreiben konnte. Es gab noch einige andere, die genauso arm waren wie er oder ihre fünf Sinne nicht ganz beisammen hatten. Sie drehten nicht ihre Taschen um, um mir zu zeigen, daß sie nichts hatten. Die Freunde, mit denen ich verkehrte, hatten kein Recht, meine Bitte abzuschlagen. Keiner von ihnen hatte Hunger gelitten. Wir waren keine sogenannten armen Weißen. Wir kamen alle aus wohlhabenden Bürgerfamilien. Nein, nein. Vielleicht ist es der Jude in Ihnen, der Sie so gütig und aufmerksam macht - Verzeihung, wenn ich das so ausdrücke. Wenn ein Jude einen Menschen darben, hungern, beschimpft und verachtet sieht, sieht er sich selbst in ihm. Er identifiziert sich sofort mit dem anderen. Wir nicht . Wir haben nicht genug Armut, Unglück, Verachtung und Demütigung erfahren. Wir sind nie Parias gewesen. Wir sitzen weich und bequem, wir spielen die Herren über den Rest der Welt.»
«Miller», sagte er, «Ihnen muß es schon sehr schlimm gegangen sein. Was ich auch von meinen Stammesbrüdern denke - auch sie haben ihre Fehler -, ich könnte nie so von ihnen sprechen wie Sie von den Ihrigen. Um so froher bin ich daher, wenn Sie sich jetzt eine kleine Erholung gönnen. Das wird Ihnen guttun, aber Sie müssen die Vergangenheit vergessen.»
«Ich muß aufhören, mich selbst zu bemitleiden, meinen Sie.» Ich lächelte ihm freundlich zu. «Wissen Sie, Reb, ich bin nicht immer in dieser Stimmung. Tief drinnen zuckt es noch manchmal schmerzlich, aber im allgemeinen nehme ich die Menschen so, wie sie mir gerade unterkommen. Ich glaube, ich kann nur nicht darüber hinwegkommen, daß ich jede kleine Wohltat aus ihnen herauswinden mußte. Und was bekam ich? Brosamen . Ich übertreibe natürlich. Nicht jeder ließ mich kaltblütig abfahren, und wer es tat, hatte wahrscheinlich ein Recht, so zu handeln. Ich war wie der Krug, der einmal zu oft zum Brunnen kommt. Ich habe es weiß Gott verstanden, mich unbeliebt zu machen. Für einen Menschen, der gewillt war, Geschenke
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