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Nexus

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Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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möglichst wenig Schwierigkeit, mit möglichst wenig Schmerz davonkommen. Jeder will das . . . Wunderbar, sich von den Meistern erzählen zu lassen, aber selbst ein Meister werden - Scheiße! Ich las neulich ein Buch - um ehrlich zu sein, ich habe ein Jahr oder noch länger gebraucht, es zu lesen. Frage mich nicht nach dem Titel, ich verrate ihn dir nicht. Aber höre, was ich las, kein Meister könnte es besser ausdrücken: ‹Der einzige Sinn, die einzige Absicht und das einzige Geheimnis Christi ist nicht, das Leben zu verstehen oder es zu formen oder zu verändern oder sogar es zu lieben, sondern von seinem unvergänglichen Wesen zu trinken.)»
    «Sag das noch mal, Hen.» Ich tat es.
    «Von seinem unvergänglichen Wesen zu trinken», murmelte er. «Verdammt gut. Und du willst mir nicht sagen, wer das geschrieben hat?»
    «Nein.»
    «Okay, Hen. Sprich weiter. Was für Überraschungen hältst du sonst noch bereit?»
    «Diese . . . Wie kommst du mit deiner Guelda zurecht?»
    «Das ist nicht wichtig. Dies hier bedeutet viel mehr.»
    «Du willst sie doch hoffentlich nicht aufgeben?»
    «Sie gibt mich auf. Diesmal für immer.»
    «Und du findest dich damit ab?»
    «Natürlich nicht. Darum habe ich dir aufgelauert. Aber, wie du sagst, jeder muß seinen eigenen Weg gehen. Meinst du, ich weiß das nicht? Mag sein, daß wir nichts mehr gemeinsam haben. Vielleicht hatten wir nie etwas gemeinsam, wolltest du das sagen? Was hielt uns dann wohl zusammen? Ich muß dich gern haben, Hen, selbst wenn du mich über glühende Kohlen ziehst. Manchmal bist du ein herzloser Schurke. Wenn einer von uns gewöhnlich ist, so bist du es, nicht ich. Aber du hast etwas, wenn du es nur herausbringen könntest. Etwas für die Welt, meine ich, nicht für mich . Du solltest keinen Roman schreiben, Hen. Das kann jeder. Du hast Wichtigeres zu tun. Ich spreche im Ernst. Ich sähe es lieber, wenn du Vorträge über Vivekananda hieltest - oder über Mahatma Gandhi.»
    «Oder Pico della Mirandola?»
    «Nie was von ihm gehört.»
    «Sie will also nichts mehr mit dir zu tun haben?»
    «Das hat sie gesagt. Eine Frau kann natürlich immer ihren Entschluß ändern.»
    «Das wird sie tun. Verlaß dich drauf.»
    «Bei unserer letzten Zusammenkunft hatte sie noch immer die Absicht, ihre Ferien in Paris zuzubringen.»
    «Warum fährst du nicht mit?»
    «Ich weiß was Besseres. Ich habe es mir schon ausgedacht. Sobald ich weiß, mit welchem Schiff sie fährt, buche ich auf demselben Schiff eine Kabine neben der ihren, selbst wenn ich die Leute im Reisebüro bestechen müßte. Und wenn sie am ersten Morgen herauskommt, bin ich der erste, der sie begrüßt. ‹Ei, sieh da, Geliebte! Schöner Tag heute, was?›»
    «Das wird ihr sicher gefallen.»
    «Über Bord springen wird sie nicht, das ist sicher.»
    «Aber sie könnte sich beim Kapitän beschweren, daß du sie belästigst.»
    «Auf den Kapitän pfeife ich, mit dem werde ich schon fertig. Drei Tage auf See, und sie ist geliefert, ob sie mag oder nicht.»
    «Ich wünsche dir viel Glück.» Ich schüttelte ihm die Hand. «Hier verabschiede ich mich von dir.»
    «Komm, trink einen Kaffee mit mir.»
    «Nein, ich muß wieder an meine Arbeit gehen. Wie Krischna zu Arjuna sagte: ‹Wenn ich nur einen Augenblick zu arbeiten aufhörte, würde das ganze Weltall. . .›»
    «Was?»
    «‹Auseinanderfallen›, glaube ich, sagte er.»
    «Okay, Hen.» Er drehte sich um und ging, ohne noch ein Wort zu sagen, in die entgegengesetzte Richtung.
    Ich hatte erst ein paar Schritte getan, als ich ihn rufen hörte:
    «He, Hen!»
    «Was?»
    «In Paris sehen wir uns wieder, wenn nicht schon eher. Bis dann!»
    «In der Hölle sehe ich dich wieder», dachte ich bei mir, aber als ich weiterging, fühlte ich Gewissensbisse. «Niemanden sollte man so behandeln», sagte ich mir, «nicht einmal seinen besten Freund.»
    Auf dem Heimweg setzte ich diesen Monolog fort. Er lautete etwa so:
    «Was macht es schon, wenn er mir wirklich zum Kotzen zuwider ist? Sicher, jeder sollte seine Probleme selber lösen, aber ist das ein Grund, ihn fallenzulassen? Du bist kein Vivekananda. Würde übrigens Vivekananda so handeln? Man gibt einem Menschen, der in Not ist, keinen Kinnhaken. Man braucht sich allerdings auch nicht von ihm bekotzen zu lassen. Angenommen, er benimmt sich wirklich wie ein Kind, was macht es schon? Verhältst du dich immer wie ein Erwachsener? War das nicht ein blöder Quatsch, ihm zu sagen, wir hätten nichts mehr gemeinsam? Er hätte

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