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Nexus

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Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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dich in diesem Augenblick einfach stehenlassen sollen. Was ihr Gemeinsames habt, i mein lieber Swami, ist ganz gewöhnliche menschliche Schwäche. Vielleicht ist er wirklich schon vor langer Zeit in seiner Entwicklung zum Stillstand gekommen. Ist das ein Verbrechen? Gleichgültig, welche Wegstrecke er zurückgelegt hat, er ist immer noch ein Mensch. Gehe weiter, wenn es dich treibt. . . halt deine Augen geradeaus gerichtet. . . aber verweigere dem Zaudernden nicht deine helfende Hand. Wo wärest du , wenn du den ganzen Weg hättest allein gehen müssen? Stehst du fest auf deinen Beinen? Was ist mit all den unbedeutenden Wichten und Hanswursten, die ihre Taschen für dich leerten, wenn du in Not warst?
    Sind sie jetzt, da du sie nicht mehr brauchst, vollständig für dich erledigt?»
    «Nein, aber ...»
    «Ja, da weißt du nicht, was du sagen sollst, nicht wahr? Du spielst dich als etwas auf, was du nicht bist. Du hast Angst, wieder in deine frühere Schlamperei zurückzufallen. Du schmeichelst dir selbst, daß du anders bist, aber tatsächlich gleichst du den anderen nur zu sehr, die du so geschwätzig verurteilst. Jener verrückte Invalide im Fahrstuhl hatte dich richtig erkannt. Er hatte dich völlig durchschaut, nicht wahr? Sei ehrlich, was hast du mit deinen zwei Händen erreicht oder mit deinem Intellekt, auf den du so stolz bist? Mit einundzwanzig schickte sich Alexander an, die Welt zu erobern, und mit dreißig hatte er sie ganz in der Hand. Ich weiß, du bist nicht darauf aus, die Welt zu erobern, aber Eindruck wolltest du doch wenigstens auf sie machen, nicht wahr? Du willst als Schriftsteller anerkannt werden. Nun, wer hindert dich daran? Sicher nicht der arme Mac Gregor. Ja, es gibt nur eine Sünde, wie Vivekananda sagt. Und die ist Schwäche. Nimm es dir zu Herzen, mein Lieber, nimm es dir zu Herzen! Komm herunter von deinem hohen Roß! Komm heraus aus deinem Elfenbeinturm und stell dich in Reih und Glied! Vielleicht hat das Leben noch einen anderen Sinn, als Bücher zu schreiben. Und was hast du schon Wichtiges zu sagen? Bist du vielleicht ein neuer Nietzsche? Du bist nicht einmal du , weißt du das?»
    Als ich unsere Straßenecke erreicht hatte, war ich ganz klein und häßlich geworden. Ich hatte kein Pulver mehr zu verschießen. Dieser Zustand verschlimmerte sich noch, als ich Sid Essen an der Treppe auf mich warten sah. Sein Gesicht strahlte.
    «Miller», sagte er, «ich will Ihnen nicht Ihre wertvolle Zeit stehlen, aber ich könnte dies keine Minute länger in der Tasche behalten.»
    Er zog einen Umschlag hervor und überreichte ihn mir.
    «Was ist das?» fragte ich.
    «Ein kleines Zeichen von Ihren Freunden. Die Schwarzen halten große Stücke auf Sie. Sie sollen dafür etwas für Ihre Frau kaufen. Sie haben unter sich eine kleine Sammlung veranstaltet.»
    In dem kläglichen Zustand, in dem ich mich befand, wären mir beinahe die Tränen gekommen.
    «Miller, Miller», sagte Reb und umarmte mich, «was sollten wir wohl ohne Sie anfangen?»
    «Ich bleibe nur ein paar Monate weg», sagte ich und errötete wie ein Schulkind.
    «Ich weiß, ich weiß, aber wir werden Sie vermissen. Trinken Sie einen Kaffee mit mir, ich halte Sie nicht lange auf. Ich muß Ihnen nur etwas erzählen.»
    Ich ging mit ihm bis an die Ecke zu dem Papier- und Süßwarengeschäft zurück, wo wir uns kennengelernt hatten.
    «Wissen Sie», sagte er, als wir an der Theke Platz genommen hatten, «fast hätte ich Lust mitzukommen. Nur weiß ich, daß ich Ihnen im Wege sein würde.»
    Ein wenig verlegen antwortete ich: «Ich glaube, fast jeder möchte gern für ein paar Wochen nach Paris fahren. Eines Tages wird das auch möglich sein.»
    «Ich hätte die Stadt gern durch Ihre Augen gesehen.» Er warf mir einen Blick zu, der mich weich machte.
    «Ja», sagte ich, ohne auf seine Worte einzugehen, «eines Tages wird es nicht mehr nötig sein, mit dem Schiff oder dem Flugzeug nach Europa zu reisen. Wir müssen nur erst lernen, die Schwerkraft zu überwinden. Dann könnte man ruhig stehen bleiben, während die Erde sich unter uns dreht. Sie bewegt sich schnell, diese alte Erde.»
    In dieser Art redete ich weiter, um meine Verlegenheit zu überwinden. «Maschinen, Motoren, Turbinen. .. Leonardo da Vinci. .. und wir kriechen noch wie Schnecken. Wir haben nicht einmal begonnen, die magnetische Kraft zu benützen, die uns einhüllt. Wir sind noch Höhlenmenschen, denen man Motoren auf den Hintern geschnallt hat. . .»
    Der arme Reb wußte

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