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Nibelungen 01 - Der Rabengott

Nibelungen 01 - Der Rabengott

Titel: Nibelungen 01 - Der Rabengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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erschrocken aussah, nicht mal Tilda, als wir ihr die tote Ratte unters Kissen geschoben haben.« Er kicherte, aber Hagen blieb ernst. Dankwart fuhr fort: »Bärbart wollte das Gold mit eigenen Augen sehen, aber ich habe nein gesagt. Ich dachte, er wollte es stehlen. Da hat er gesagt, ich müsse es in den Fluß werfen, zurück zum Siebenschläfer. Es sei verflucht, hat er gesagt, und wir alle mit ihm. Vor allem du.«
    Hagen zog eine verächtliche Grimasse. »Und das hast du ihm geglaubt?«
    »Nicht sofort. Ich bin vor ihm fortgelaufen, ich dachte, er würde das Versteck des Goldes aus mir herausprügeln. Dann sah ich vom Gang aus, wie Bärbart seine Kammer verließ. Ich dachte, er würde wohl zu Vater gehen und ihm alles erzählen. Das hat mir wirklich angst gemacht, mehr als alles, was Bärbart bis dahin gesagt hatte. Deshalb bin ich ihm nachgeschlichen, um zu hören, wieviel er Vater verraten würde. Du kannst dir vorstellen, wie überrascht ich war, als er hinunter in die Kerker stieg, in Viggos Kapelle. Bis dahin hatte ich geglaubt, er wüßte nicht einmal den Weg dorthin. Der Pfaffe hat ihn erst beleidigt, hat irgendwas von Entweihung eines heiligen Ortes gefaselt. Na, du kennst ihn ja.«
    »Nicht so gut wie Mutter.«
    »Irgendwann hat Viggo sich beruhigt. Und dann hat Bärbart ihm gesagt, daß er die Burg verlassen würde. Es sei nicht mehr sicher hier, hat er gesagt, alle würden bald sterben.«
    »Hat er gesagt warum?«
    »Wegen dir.«
    »Das dachte ich mir.«
    Dankwart sah ihn einen Moment lang erschrocken an, dann schweifte sein Blick von Hagens Gesicht über die Zinnen hinweg in den Himmel. Ein Raubvogel kreiste mit weiten Schwingen um den Turm.
    »Bärbart hat gesagt, du hast den Fluch des Siebenschläfers auf dich geladen«, sagte Dankwart. »Und auf uns. Auf alle hier. Viggo täte gut daran, ebenfalls zu fliehen, hat Bärbart ihm geraten.«
    »Wahrscheinlich wollte er ihn nur überzeugen, wie wichtig es sei, daß ich sterbe.«
    Dankwarts Kopf ruckte hoch. »Dann weißt du es schon?«
    »Vater war bei mir.«
    »Etwa um –«
    »Vielleicht«, unterbrach Hagen ihn ruhig. »Aber er hat es nicht getan, wie du siehst.« Er hörte sich sprechen wie einen Fremden und zweifelte einen Herzschlag lang, ob es wirklich er selbst war, der da redete.
    Auch Dankwart wunderte sich über Hagens Gelassenheit. Eine Spur von Mißtrauen lag in seiner Stimme, als er fortfuhr: »Bärbart hat Viggo aufgetragen, er müsse Vater ausrichten, wie wichtig es für alle sei, daß du getötet wirst. Dabei warst du doch immer sein Liebling.«
    »Ich konnte ihn genausowenig leiden wie du.«
    »Aber er hat dich für den besseren Erben der Grafschaft gehalten«, sagte Dankwart bedrückt. »So wie alle es tun.«
    »Hast du deshalb das Gold genommen? Aus Furcht, Vater könnte dich verstoßen, wenn er auf die anderen hören würde?«
    Dankwart gab darauf keine Antwort. Es war nicht nötig. Statt dessen blickte er betreten auf seine Stiefel und sagte: »Ich dachte, wenn das Gold fort ist, dann verschwindet auch der Fluch. Zumindest hätte es dann keine Beweise mehr gegeben für das, was Bärbart gesagt hat. Ich hoffte, Vater würde ihm dann nicht mehr glauben und dich am Leben lassen.« Zum ersten Mal sprach Verzweiflung aus einer Stimme, er redete immer schneller, ohne Pausen. »Vater tut doch sonst immer alles, was Bärbart sagt, und ich habe Angst gehabt, er könnte dich wirklich töten, nur wegen einem Bündel voll Gold, und dann wäre ich ganz alleine gewesen, und alle hätten mich nur noch mehr verabscheut, hätten mir vielleicht gar die Schuld an allem gegeben, wer weiß?«
    Hagen schloß einen Atemzug lang die Augen, dann kroch er auf Dankwart zu und legte den Arm um die Schultern seines Bruders. Dankwart blickte zu Boden, er weinte. Hagen hatte ihn seit Jahren nicht mehr weinen sehen, nicht seit ihr Vater ihn im Zorn angebrüllt hatte, daß niemals ein so tapferer Ritter aus ihm werden würde wie dereinst aus Hagen. Damals hatten ihn Dankwarts Tränen geschmerzt wie Nadelstiche.
    »Es ist gut«, sagte er jetzt, denn er spürte erneut, daß er es nicht ertragen konnte, wenn Dankwart weinte. »Ich lebe ja noch, und Bärbart ist fort, hoffentlich für immer. Und das Gold« – er zögerte einen Augenblick lang – »das Gold liegt auf dem Grund des Flusses.«
    Dankwart wischte sich die Tränen von den Wangen. »Was ist mit dem Siebenschläfer?«
    »Was soll mit ihm sein? Glaubst du wirklich daran?« Hagen bemühte sich, die eisige Kälte,

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