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Nibelungen 01 - Der Rabengott

Nibelungen 01 - Der Rabengott

Titel: Nibelungen 01 - Der Rabengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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die in ihm aufstieg, zu unterdrücken. Der Siebenschläfer – vielleicht war er wirklich schon in ihm, zornig über den Diebstahl seiner Schätze.
    »Viggo hat Bärbart ausgelacht, als er davon sprach«, sagte Dankwart. Seine Augen waren rot, aber wenigstens weinte er nicht mehr. »Bärbart hat ihn angebrüllt, der Siebenschläfer sei keine Erfindung alter Weiber, es gebe ihn wirklich, ganz tief unten im Wasser des Rheines. ›Er ist selbst schon wie der Fluß‹, hat er gesagt, ›kalt und finster und reißend wie ein wildes Tier‹.«
    Hagen löste sich von Dankwart und zog sich an einer Zinne auf die Füße. Über die Mauerzacken hinweg starrte er hinab auf das farblose Band des Flusses. Es verschwand im Norden und Süden hinter fahlgrünen Berghängen. Von hier oben war die Strömung kaum auszumachen, der Fluß sah so friedlich aus; er lockte Hagen, sich über die Zinnen zu schwingen, hinabzuspringen ins Leere und, vielleicht, tief ins kalte Wasser zu tauchen. Dorthin, wo sein Gold war, hinab zu den Klüften der Rheintöchter.
    Dankwarts Hand legte sich auf Hagens Schulter und zog ihn zurück in die Wirklichkeit. »Was weißt du über den Siebenschläfer?«
    Der jammernde Wind drohte Hagens Worte von den Lippen zu pflücken wie faule Früchte. »Er ist ein Gespenst, der Geist von sieben goldgierigen Räubern, die in ihrer Höhle vom Hochwasser überrascht wurden, vor vielen, vielen Jahren. Manche Bauern bringen ihm Opfer dar, wenn der Rhein über die Ufer tritt. Sie glauben, der Siebenschläfer könne den Fluß beruhigen.«
    Dankwart stützte sich mit dem Ellbogen auf eine Zinne, zog den Arm aber schnell zurück, als er bemerkte, wie kalt das Gestein war. »Ich meinte nicht die Legende. Ich wollte wissen, was du über den Siebenschläfer weißt .«
    »Du denkst, ich hätte ihn wirklich getroffen?« Hagen schüttelte verwundert der Kopf. »Du schenkst Bärbarts Worten mehr Glauben als denen deines Bruders?« Er schnaubte verbittert und schaute abermals in die Tiefe. »Sag mir die Wahrheit, Dankwart, was hat Bärbart noch zu dir gesagt, bevor er sich bei Viggo ausgeheult hat?« Ganz kurz durchzuckte ihn beim Wort »heulen« ein Anflug von Schuldgefühl; es war unrecht, es als Beleidigung zu benutzen, wenn Dankwarts eigene Tränen kaum getrocknet waren.
    Dankwart sah an Hagen vorbei, sein Blick folgte dem kreisenden Raubvogel. »Er hat gesagt, wenn ein Geist einen Menschen trifft, dann weiß er im gleichen Augenblick alles über ihn. Er kennt die Freunde des Menschen, seine Familie, sogar seine geheimsten Gedanken. Einfach alles. Und manchen Geistern gefalle es, einem Menschen all diese Dinge wegzunehmen. Bärbart hat gesagt, der Siebenschläfer ist so ein Geist. Erst würde er mich töten, dann Vater und Mutter, alle anderen in der Burg, und ganz zum Schluß, wenn du ihn darum bittest, auch dich.«
    »So weit wird es nicht kommen«, widersprach Hagen. »Wir werden den Siebenschläfer vernichten, du und ich.«
    Sein Bruder schüttelte traurig den Kopf. »Bärbart hat gesagt, nur ein Geist kann einen anderen Geist zerstören. Menschen haben nicht die Macht dazu.«
    »Bärbart hat gesagt, Bärbart hat gesagt«, äffte Hagen ihn zornig nach. »Irgendwas wird uns schon einfallen.«
    »Vielleicht reicht es ja, daß er sein Gold zurückbekommen hat.«
    Hagen schaute wieder zum Fluß hinunter, auf die Stelle, an der Dankwart das Gold in die Wogen geschleudert hatte. War der Siebenschläfer jetzt irgendwo dort unten? Hörte er jedes ihrer Worte?
    Standhaft faßte er einen Entschluß. »Ich werde hinuntergehen und mit ihm reden.«
    Dankwarts Unterkiefer klappte herunter. »Mit dem Siebenschläfer? Bist du verrückt geworden?«
    »Mit ihm«, sagte Hagen grimmig, »oder mit dem Fluß. Einer von beiden wird mir schon zuhören.«
     

     
    In der Nacht schlich er sich aus der Burg.
    Ungesehen ins Freie zu gelangen war keineswegs einfach, denn der Graf hatte nach Bärbarts Verschwinden die Wachen an den Toren und oben auf den Wehrgängen verdoppeln lassen. Aber Hagen kannte alle geheimen, unbewachten Winkel des Gemäuers, und er wußte, wie man in ihrem Schatten nach draußen gelangte. Allerdings brauchte er länger dafür, als er gehofft hatte, und so war Mitternacht vorüber, als er im Schutz der Bäume zum Fluß hinabhuschte.
    Der Mond spiegelte sich auf den Wellen, und das Flüstern der Strömung rauschte in Hagens Ohren. Er versuchte, es zu verstehen, dachte, es wolle vielleicht zu ihm sprechen, doch er hörte nur wirres

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