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Nibelungen 01 - Der Rabengott

Nibelungen 01 - Der Rabengott

Titel: Nibelungen 01 - Der Rabengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Säuseln und Wispern und Glucksen.
    Auf halbem Weg drehte Hagen sich noch einmal um und schaute hinauf zur Burg. Nur eine Reihe von Fackeln auf den Zinnen verriet, daß sie sich nicht in Luft aufgelöst hatte; der Rest verschmolz völlig mit der pechschwarzen Nacht.
    Sein Blick streifte auch die Klippe, auf deren Spitze die Eiche stand. Er fragte sich, was geschehen würde, wenn das Hochwasser jemals so weit steigen würde, daß es den Baum erreichte. Das Gerede seiner Mutter vom Klabautermann kam ihm in den Sinn. Er schauderte und wandte sich ab.
    Während seines Abstiegs zum Ufer passierte er die hohe Mauer der Tannen, hinter der Dankwart sich das Knie aufgeschlagen hatte. Es lag kaum einen halben Tag zurück, da Hagen in den Zweigen eine wellenförmige Bewegung beobachtet hatte. Nur der Wind, dachte er verbissen. Dann aber kam ihm in den Sinn, daß die Bäume noch vor wenigen Tagen unter der Wasseroberfläche gestanden hatten. Hatte irgend etwas die Gelegenheit genutzt und sich in ihren Ästen eingenistet?
    Er rannte so schnell er konnte, panisch fast, bis er die Tannen hinter sich gebracht hatte und den Fluß erreichte.
    Der Mondschein umrahmte drei Gestalten. Stumm blickten sie Hagen entgegen.
    Er blieb schlagartig stehen.
    Es waren drei Frauen, mit nassem, hüftlangem Haar. Sie standen bis zu den Knien im Wasser, die Säume ihrer Gewänder wogten auf den Wellen. Der Mond beschien sie von hinten, ihre Gesichter waren in Schwärze gehüllt.
    »Du also bist Hagen von Tronje«, sprach die erste mit altersloser Stimme.
    Die zweite kicherte hinter ihrem Schattenschleier. »Er ist jung.«
    »Ein Kind noch«, sagte die dritte.
    Hagen raffte all seine Kühnheit zusammen. »Manns genug jedenfalls, Euch zurück ins Wasser zu jagen, wenn es sein muß.«
    »Er spricht mutig.«
    »Wagemutig.«
    »Waghalsig.«
    »Hals über Kopf.«
    »Den Kopf will ich. Mit dem Hals macht, was ihr wollt.«
    Haltloses Gekicher folgte.
    »Für mich die Beine.«
    »Die Arme mir.«
    »So wird geteilt die Hühnerbrust, das kleine Herz darin.«
    »Habt ein Herz, Schwestern, und nehmt ihn euch zur Brust.«
    Hagen stand starr, wie angewurzelt. Viel hörte man in jenen Tagen von den kindischen Späßen der Wasserfrauen, doch sie dabei tropfend und gackernd vor einem zu sehen, das war eine ganz andere Sache.
    Er hatte große Angst, obgleich er sich vornahm, sie so gut als möglich zu verbergen. »Seid Ihr Damen hier, um mit mir zu sprechen, oder wollt Ihr nur dumme Scherze machen?«
    »Er nennt uns Damen.«
    »Der Gute.«
    »Aber unsere Scherze nennt er dumm.«
    »Der Wicht.«
    Trotz seiner Furcht wurde Hagen allmählich ungeduldig, zumal er wußte, daß die Wasserfrauen ihm nichts zuleide tun würden; der Siebenschläfer würde seine Beute nicht so leichtfertig aus der Hand geben. Die drei Weiber waren nur seine Botschafter.
    »Also?« fragte Hagen mit leichtem Schwanken in der Stimme.
    In der Finsternis, die ihre Gesichter verhüllte, war es unmöglich zu erkennen, welche der Frauen gerade sprach. Ohnehin schienen sie wie drei Körper einer einzigen Wesenheit.
    »Dumm sind nicht unsere Scherze, sondern du, kleiner Hagen.«
    »Niemand legt sich ungestraft mit den Rheingeistern an.«
    »Der Fluß ist zornig. Der Siebenschläfer hat ihn gegen dich aufgebracht.«
    »Gegen dich und die deinen.«
    »Dumm, dumm, dumm.«
    Sie nahmen die Worte als Rhythmus auf und summten ein seltsames Lied dazu. Es endete in erneutem Gekicher.
    Hagen räusperte sich gewichtig. »Ich möchte den Fluß um Vergebung bitten. Und natürlich den Siebenschläfer.«
    »Beide sind eins«, kam die Antwort.
    »Eins wie wir.«
    »Eins mit uns.«
    »Werdet Ihr meine Entschuldigung annehmen?« Obwohl Hagens Knie zitterten, war es ihm doch, als spräche er mit Kindern, mit drei albernen, neckischen Mädchen.
    »Das ist nicht so einfach, wie du denkst«, sagte eine der Wasserfrauen.
    »Du wirst für deine Tat Buße tun müssen, ganz ohne Zweifel.«
    Hagen hatte Mühe zu sprechen, die Worte steckten in seinem Hals fest. »Welche Art von… Buße meint Ihr?«
    »Der Fluß verlangt Opfer.«
    Statt weiteren Geplappers folgte ein Moment der Stille, der Hagen schmerzlich viel Zeit gab, sich darüber klarzuwerden, daß er mit leibhaftigen Wasserfrauen sprach. Und daß es hier nicht um ihre einfältigen Späße ging, sondern um sein Leben.
    »Opfer?« fragte er schließlich. Er sprach sehr leise, voller Argwohn und Sorge.
    »Aber ja doch«, sagte eine der Wasserfrauen. »Nur Opfer können den

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