Nibelungen 07 - Das Zauberband
Pfad, der durch die toten Wiesen leicht bergauf führte, bis felsige Baumriesen vor ihr aufragten. Wie oft war sie mit Arma durch diesen Wald geritten! Traurig fuhr Brunhild mit ihrer Hand über den kalten Stamm einer alten Buche. Sie kannte jeden einzelnen Baum in diesem Garten, und es schmerzte sie, nichts gegen diese Versteinerung tun zu können.
Wenn sie gemeinsam mit Arma zur Jagd gegangen war, hatten sie oft auf diesem Weg den heiligen Ort verlassen. Arma hatte sie gelehrt, die Spuren der Tiere zu erkennen, die in dem Wald und jenseits der magischen Grenze lebten.
»Wenn du auf die Jagd gehst, Brunhild«, hatte die Kriegerin gesagt, »und dabei Spuren suchst, dann halte nicht fest an dem, was du glaubst, suchen zu müssen, sonst wirst du das, was du finden sollst, niemals sehen.«
Eine Weile stand Brunhild da. Schließlich drehte sie sich entschlossen um und ging zurück. Wenn dies alles, was seit dem Morgengrauen geschah, eine Prüfung der Göttin für die neue Hüterin des Feuers darstellte, dann würde die Göttin auch ihre Schritte lenken. Sie mußte ihr nur vertrauen!
So verließ sie den Pfad, um eine Abkürzung durch den Wald zu suchen. Es gab einen Weg, der auf halber Höhe geradewegs zum Tempelhügel führte, ohne daß sie erst zurück und hinunter an das Seeufer mußte. In nassen Kleidern ohne Waffen und Pferd konnte sie Inmee ohnehin nicht folgen. Zuerst mußte sie nachschauen, ob sie in der Höhle, in der sie mit Arma gelebt hatte, noch etwas Brauchbares fand oder ob auch dort alles versteinert war.
Leichtfüßig sprang sie über einen niedrigen Ast, der ihr den Weg versperrte, und blieb mit den Enden des feuchten Leinenhemdes, das unter Ramees Gürtel hervorlugte, an einem der anderen Äste hängen.
Ärgerlich wandte sie sich um und versuchte, den Stoff von den steinernen Dornen zu lösen, als ihr Blick auf ein kleines Haarbüschel fiel, das ein wenig unterhalb ihres Hemdes ebenfalls in dem Strauch hing. Vorsichtig nahm sie das Büschel von dem Ast. Die Haare waren schwarz, lang und zottelig. Brunhild roch daran. Ein strenger Geruch stieg ihr in die Nase, den sie nicht einzuordnen wußte. Vielleicht stammten die Haare von Rabans Hengst, doch dann verwarf Brunhild den Gedanken wieder. Das Fell war zu weich und viel zu lang, als daß es Pferdehaar hätte sein können. Die junge Kriegerin schaute es sich genauer an, aber ihr fiel kein Tier ein, zu dem dieses Haar gepaßt hätte.
Rund um den wild wuchernden Busch ließen sich auf dem Boden keinerlei Spuren erkennen, die zu einem fremden Tier gehören konnten. Nachdenklich steckte Brunhild das schwarze Fellchen an ihren Gürtel. Die Göttin gab oft seltsame und sehr rätselhafte Zeichen.
Als sie aufschaute, um dem Pfad weiter zu folgen, der zum Tempelhügel führte, sah sie einen schwarz gekleideten Reiter auf einem Fuchshengst in scharfem Galopp auf sich zustürmen. Brunhild zuckte zusammen. Sie hatte den Reiter nicht kommen gehört, und auch jetzt hatte sie Mühe, irgend etwas zu vernehmen, so als berührte das Pferd nicht wirklich den Steinboden.
Einen Moment lang glaubte sie, daß der Reiter zu Inmees Kriegsschar gehörte, doch er griff sie nicht an, sondern zügelte den Fuchshengst vor ihr so heftig, daß dieser sich wiehernd aufbäumte. Der Fremde trug eine Maske aus schwarzem Samt, die sein Gesicht bis auf seine Augen vollständig verbarg. Schweigend schaute er sie einen Herzschlag lang an.
In den Händen hielt er ein reichverziertes Schwert, das er zwar nicht gegen sie gerichtet hielt; Brunhild wagte dennoch nicht, sich zu rühren.
»Ihr tragt keine Waffe bei Euch, Kriegerin«, rief er schließlich, während er spielerisch den tänzelnden Hengst im Zaum hielt. Seine Stimme klang weich und fast ein wenig spöttisch. »Das ist nicht sehr klug von Euch!«
Brunhild nickte.
Der Fremde drehte die kostbare Klinge in seinen Händen, betrachtete die Waffe eine Weile, dann warf er sie ihr vor die Füße.
»Nehmt mein Schwert! Mehr kann ich nicht für Euch tun!«
»Aber…« Weiter kam Brunhild nicht. Ehe sie noch etwas sagen konnte, gab der Maskierte seinem Pferd die Zügel und preschte grußlos an ihr vorbei.
Brunhild hielt inne. Es kam nicht oft vor, daß jemand eine solch kostbare Klinge verschenkte. Vielleicht war es eine Falle. Als sie sich umwandte, war der Fremde genauso lautlos, wie er gekommen war, zwischen den versteinerten Bäumen verschwunden. Langsam bückte sie sich und hob die Waffe auf. Sie war erstaunlich leicht und lag ihr
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