Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nibelungen 09 - Der Zwergenkrieg

Titel: Nibelungen 09 - Der Zwergenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
Vom Netzwerk:
einmal unrecht.«
    »Erklär mir das.«
    Lächelnd griff er nach seinem Rucksack und zog das Büchlein hervor. Aus der Nähe erkannte Grimma, daß es in das Leder grauer Fledermausschwingen gebunden war. Ein wertvolles Stück.
    Styrmir drehte den handgroßen Band zwischen den Fingern. »Wie soll ich meinen Kindern erzählen, was ich erlebt habe, wenn ich die Hälfte davon vergessen habe? Deshalb schreibe ich alles auf. Das Aussehen des Tunnels, die Hindernisse auf unserem Weg, meine Gedanken, auch einiges vom Gerede der anderen. Und irgendwann, vielleicht, eine Beschreibung des Nordlandes, wie es sich den Augen eines Zwerges darbietet, der sein Leben lang nur das Innere des Hohlen Berges gesehen hat.«
    Er schlug das Buch auf den vorderen Seiten auf und reichte es Grimma. Sie warf einen neugierigen Blick darauf, doch dann gestand sie kleinlaut: »Ich kann nicht lesen, Styrmir.«
    Er lachte nicht, verzog nicht einmal das Gesicht. »Wenn du willst, werde ich dir daraus vorlesen.«
    Sie nickte ihm zu, dankbar, daß er nicht über ihr Unvermögen spottete, so wie sie selbst sich in den vergangenen Tagen insgeheim über seine mangelnden Kampfkünste lustig gemacht hatte. »Ein andermal will ich dir gerne zuhören. Falls dein Angebot dann noch gilt.«
    »Das wird es.«
    Sie schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln, dann stand sie auf und ging zurück zum Feuer. Sie bat Styrmir nicht, mit ihr zu kommen. Er hätte doch nur abgelehnt.
     

     
    In der sechsten Woche ihres Marsches durch die Dunkelheit entdeckten sie etwas, das ihnen wahrscheinlich das Leben rettete.
    Grimma selbst führte die Vorhut des Trupps an, und so war sie eine der ersten, die sah, wie sich etwas Großes aus dem Dämmerlicht schälte, das nicht in die eintönige Ödnis des Tunnels gehörte.
    Es war ein großer Holzkarren mit gesplitterter Achse. Seine Ladefläche war leer. Der Größe nach mußten ihn die Nordlinge während ihres Weges zum Hohlen Berg zurückgelassen hatten.
    Sogleich machten sich die Zwerge daran, ihn mit ihren Äxten in kleine, tragbare Stücke zu zerlegen. Vor mehr als zwei Wochen war ihnen das Brennholz ausgegangen, und während der vergangenen Tage hatten sich die Stellen im Tunnel gehäuft, an denen sie Wasserflächen durchwaten mußten. Unter ihnen war keiner, der sich dabei nicht erkältet hatte, und ihnen allen klebte die Kleidung feucht und klamm an den Körpern.
    Jetzt aber, nachdem sie den Wagen bis aufs letzte Stück zerkleinert hatten, gab Grimma den Befehl, große Feuer zu schüren und Hosen und Wämser zu trocknen. Bald schon war ihnen zum erstenmal seit vielen Tagen wieder warm, und selbst Styrmir gesellte sich zu ihnen, ohne daß jemand Anstoß daran nahm.
    Nach einer Weile zogen sie weiter, und da war nicht einer, der das zusätzliche Gewicht auf seinem Rücken bejammerte. Sie all dankten den Göttern für ihr Glück, das sie zu dem Karrenwrack geführt hatte, und die Laune der meisten hob sich beträchtlich. Die Zwerge faßten neuen Mut, und ihr Ziel, das Nordland, gewann für sie nach den ernüchternden letzten Tagen neue Reize. Sie erzählten einander, was sie dort als erstes tun würden – tief durchatmen, schlafen, Met trinken –, und plötzlich stimmte jemand eines der alten Lieder ihrer Vorfahren an. Es war Styrmir, und er sang hell und schön und mit ansteckender Begeisterung. Es dauerte nicht lange, da war auch der letzte in den frohen Gesang miteingefallen, und die uralten Melodien hallten herrlich von den Felswänden wider und verscheuchten die bedrohlichen Schatten des dunklen Höhlengangs. Grimma sang aus vollem Halse, und sie schob jeden Gedanken an die Gefahren von sich, die der Lärm heraufbeschwören mochte. Wenn der Gesang den angeschlagenen Mut ihrer Männer hob, war sie bereit, das Risiko dafür in Kauf zu nehmen.
    Sie sangen den ganzen Tag, und einige sangen noch abends am Feuer, als der Rest von ihnen schon schlief. Styrmir hatte sich erneut zurückgezogen, beugte sich über sein Buch, und er schrieb nieder, was der Tag ihnen gebracht hatte: neue Hoffnung, Lebensmut und, für ihn selbst zum erstenmal, einen leisen Hauch von Gemeinsamkeit.

KAPITEL 4
     
     
    lberich versammelte die anderen in der Eingangshalle. Es war früh am Morgen. Sie alle waren unausgeschlafen und übellaunig. Geist und Löwenzahn wegen ihres anstrengenden Ausflugs in die Mooshöhle; Mütterchen Mitternacht, weil sie Alberichs Wache am Tor übernommen hatte; und Alberich selbst – ja, das wußte keiner der anderen so

Weitere Kostenlose Bücher