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Nibelungen 09 - Der Zwergenkrieg

Titel: Nibelungen 09 - Der Zwergenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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nachdenken mußte. Lebenswichtiges. Über Nordlinge, zum Beispiel. Und vielleicht darüber, warum es mit einemmal nach verbranntem Fleisch roch.
    Bollis blieb stehen. »Riechst du das?« Sein Gesicht war so weiß geworden wie die Schneedecke zwischen den Ruinen.
    Grimma brachte nur ein ruckartiges Nicken zustande. Die Worte steckten in ihrem Hals fest, einige Herzschläge lang bekam sie vor Entsetzen kaum Luft.
    Sie liefen weiter, noch schneller als zuvor. Das Feuer war nicht mehr weit entfernt, sie konnten schon sehen, wie sein gelbroter Schein über Hauswände flackerte. Sie hörten Stimmen, Gelächter, die Laute eines Festes. Oder einer Siegesfeier.
    Die Stimmen erklangen in einer Sprache, die ihnen fremd war.
    Grimma und Bollis ahnten, was sie erwarten würde, als sie um die letzte Felskante traten. Und doch überstieg der Anblick bei weitem das Maß dessen, was sie verkraften konnten. Grimma prallte zurück, als wäre sie gegen eine unsichtbare Mauer gelaufen, während Bollis wie angewurzelt stehenblieb.
    Keiner ihrer sechs Gefährten war mehr am Leben. Die Feinde hatten ihre Leichen achtlos übereinander geworfen, mit brennbaren Ölen übergossen und angezündet. Die reglosen Körper brannten lichterloh. Die Flammen schlugen zu hoch, als daß Grimma Gesichter in ihnen hätte erkennen können; sie dankte den Göttern für diese Gnade. Irgendwo in diesem Inferno lagen Egil und Gellir, zwei ihrer ältesten und engsten Freunde. Die Axt schien in Grimmas Händen zu erglühen, als käme sie gerade erst aus dem Schmiedefeuer. Der messerscharfe Stahl wog leichter als je zuvor, eine unmißverständliche Aufforderung, ihn zu benutzen.
    Das Dutzend Nordlinge, das rund um den Scheiterhaufen stand und seine Waffen im Schnee reinigte, hatte die beiden Neuankömmlinge noch nicht bemerkt. Die Krieger trugen Helme und Rüstzeug aus Stahl, darunter warme Fellkleidung. Einer, offenbar der Anführer, hatte ein mächtiges Geweih hinter seinen Schultern befestigt. Die verzweigten Enden standen ab wie ein Paar erstarrter Schwingen. Es ähnelte dem eines Hirsches, wirkte jedoch breiter, schwerer und weniger feingliedrig. Von welchem Tier es stammte, wußte Grimma nicht zu sagen; gewiß von keinem, das in den Ländern rund um den Hohlen Berg anzutreffen war. Das Schwert des Anführers steckte in einer ledernen Scheide, und in seinen Händen hielt er einen langen Stab, auf dessen Spitze der Knochenschädel eines Wolfes thronte; aus Augen und Maul baumelten getrocknete Tiersehnen, an deren Ende menschliche Fingerknochen befestigt waren. Bei jeder Bewegung des Nordlings schlugen sie gegeneinander wie ein Windglockenspiel.
    Grimma zog Bollis zurück in den Schatten eines Felsbrockens. Dort starrte sie ihm fest in die Augen und sah das haßerfüllte Glühen darin.
    »Wir töten sie!« stieß er leise hervor. »Wir töten sie alle!«
    »Sei kein Narr«, gab sie zischend zurück. »Wir werden genauso enden wie die anderen.«
    Einen Augenblick lang befürchtete Grimma, Bollis’ Haß könnte sich gegen sie richten. »Du willst Egil und Gellir nicht rächen?« fragte er lauernd.
    »Bollis, verdammt!« Sie packte ihn hart an der Schulter. »Natürlich will ich das. Aber wir müssen die anderen am Tunnel warnen. Oder willst du auch sie noch verlieren?«
    »Was scheren mich die anderen? Meine Freunde verbrennen dort drüben. Kannst du sie riechen? Riechst du, wie Egil und Gellir brennen?« Seine Stimme drohte sich zu überschlagen. Panik lauerte hinter der Fassade seines Zorns.
    »Das Leben der anderen ist wichtiger als unser Haß auf die Nordlinge!«
    »Das Leben eines anderen! Das meinst du doch, nicht wahr?« Er streifte ihre Hand ab, sein Gesicht war verzerrt. »Geh’ du nur zu Styrmir und dem Rest, wenn du willst! Ich bleibe und räche meine Freunde.«
    »Das ist Wahnsinn, und das weißt du!« Auf seine Bemerkung über Styrmir ging sie nicht ein. Es war sein Zorn, der ihm die Worte diktierte, nicht sein Verstand.
    »Was für eine Kriegerin ist nur aus dir geworden?« Bollis packte seine Axt mit beiden Händen und hob sie wie eine heilige Reliquie vor seine Brust. »Du warst immer eine von uns, Grimma. Früher hättest du dein Leben für jeden deiner Freunde gegeben – oder für sein Andenken. Und jetzt?« Er schüttelte in bitterer Enttäuschung den Kopf. »Vielleicht bist du doch bloß –«
    »Eine Frau wie jede andere?« fuhr sie ihn an, und ihre Stimme war so scharf, daß Grimma vor sich selbst erschrak. Nur mit Mühe hielt sie ihre Wut

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