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Nibelungengold 02 - Das Drachenlied

Titel: Nibelungengold 02 - Das Drachenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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sich der Wald plötzlich lichtete. Rotes Dämmerlicht schimmerte ihm entgegen. Er sprang zwischen den Stämmen hervor, verlor plötzlich den Boden unter den Füßen, stürzte nach vorne – und klatschte ins Wasser. Die Fluten des Rheins drangen von allen Seiten auf ihn ein, sogen ihn nach unten. In einem Wirbel aus Luftblasen tauchte er hinab, wurde von der Strömung gepackt und wieder nach oben gespült. Einen Augenblick lang drang sein Kopf ins Freie, er schnappte nach Atem und sah durch Wasserschlieren, daß die Krieger ihm vom Ufer aus nachblickten. Ob sie weitere Bolzen auf ihn abschossen, konnte er nicht erkennen, denn schon spülte die nächste Woge über ihn hinweg. Die goldene Brünne hätte ihn in die Tiefe gerissen, wäre es ihm nicht geistesgegenwärtig gelungen, ihre Riemen zu lösen. Der funkelnde Panzer trudelte abwärts in die Schwärze. Allein die Geißel hielt Alberich umklammert; sie war nicht schwer genug, ihn nach unten zu ziehen.
    Irgendwie hielt er sich lange genug an der Oberfläche, um nicht zu ertrinken. Der Strom trug ihn nach Norden. Noch einmal sah er Menschen am Ufer – das Ende der Sklavenkette –, dann schloß er die Augen und ließ sich treiben.
    Einige Zeit verging, in der er nicht wußte, was er tun sollte. Er mußte wieder an Land, natürlich, aber nicht so nah am Gebiet der Drachenkrieger. Vielleicht sollte er erst den Blutsee suchen und darin baden, um dann unverwundbar zurückzukehren und die Freunde zu befreien. Aber was, wenn es den Drachen und sein Blut gar nicht gab? Wenn sie alle einem Gerücht aufgesessen waren?
    Nein, dachte er, ich muß sofort umkehren. Das bin ich Mütterchen und Löwenzahn schuldig.
    Schließlich glaubte er sich weit genug von seinen Verfolgern entfernt, um zurück ans Ufer zu paddeln. Atemlos zog er sich auf festen Grund, blieb erschöpft im Schlamm liegen und schlief augenblicklich ein.
     

     
    Irgendwann ließ der Schmerz nach. Mütterchen schlug die Augen auf und blickte unwillkürlich in das Gesicht des Riesen, der neben ihr am Boden lag. Löwenzahn hatte immer noch beide Hände auf die Ohren gepreßt. Seine Lider flatterten, aus seinem Mundwinkel perlte ein Speichelfaden.
    Mütterchen sah sich um. Die Krieger, die sie gestellt hatten, lagen zuckend im Gras. Die Tatsache, daß es ihnen nicht gelungen war, die Helme abzustreifen und sich die Ohren zuzuhalten, hatte dafür gesorgt, daß der Klang des Horns sie weit schlimmer getroffen hatte als Löwenzahn und sie selbst.
    Von Alberich war weit und breit keine Spur zu entdecken. Er war geflohen, der Lump! Aber welche Wahl hatte er schon gehabt? Mütterchen mußte sich eingestehen, daß er richtig gehandelt hatte.
    Gerade wollte sie sich aufsetzen und Löwenzahn zu Hilfe eilen, als sich etwas Kühles von hinten auf ihre Schulter legte. Eine Schwertklinge!
    »Na, na, na«, höhnte eine rauhe Stimme. »Wohin denn so eilig, alte Hexe?«
    Mütterchen bekämpfte tapfer den Drang, eine passende Antwort zu geben. Statt dessen schwieg sie verbissen und fügte sich in ihr Schicksal.
    Wenig später wurden sie von einem Trupp Drachenkrieger nach Osten zur Festung geführt. Je näher der Turm und seine hohe Ummauerung rückten, desto bedrohlicher schienen sie. Dünne schwarze Rauchfahnen stiegen hinter dem Steinwall zum Nachthimmel; sie waren nur zu erkennen, weil sie von unten durch flackernden Feuerschein erhellt wurden. Der Innenhof war erleuchtet.
    Die Krieger trieben ihre beiden Gefangenen mit Hieben und Tritten zum Tor der Festung. Vor allem Löwenzahn mußte einige Martern ertragen, denn die Männer hatten seine Abstammung erkannt, und wenn es eines gab, das allen Menschen am Rhein gemeinsam war, dann war es der Haß auf die Hunnen. Mütterchen wunderte sich, daß sie Löwenzahn nicht gleich erschlugen. Andererseits würde er einen kräftigen Arbeiter abgeben.
    Die Sklavenkette wurde auch bei Nacht nicht unterbrochen. Unablässig wurde Eimer auf Eimer in die Festung gereicht. Viele der Männer und Frauen starrten stumpfsinnig ins Dunkel, griffen ohne hinzusehen nach den Eimern ihrer Nebenmänner und gaben sie weiter. Mütterchen fragte sich voller Abscheu, wie lange das alles schon so gehen mochte. Nicht einmal während ihrer Zeit als Räuberin hatte sie sich mit Sklaverei abgegeben. Sicher, sie hatte gemordet und gemeuchelt, ehrlich und aus dem Hinterhalt, aber niemals hatte sie eines ihrer Opfer derart gedemütigt.
    Als sie durchs Tor getrieben wurden, war das erste, was Mütterchen sah, eine

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