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Nibelungengold 04 - Die Hexenkönigin

Nibelungengold 04 - Die Hexenkönigin

Titel: Nibelungengold 04 - Die Hexenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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herab, der sich mit einer Grimasse das rechte Bein hielt. Wie es aussah, hatte er Glück, daß er sich nicht das Genick gebrochen hatte.
    »Kriemhild!« gellte eine Stimme über die nachtdunkle Landschaft. »Du solltest dir anhören, was ich zu sagen habe!«
    Aufgebracht blickte sie sich um, erkannte aber nichts als den welligen Horizont vor dem sternenklaren Nachthimmel. Entfernung und Tiefe waren wie aufgehoben; alles zwischen ihr und der Hügellinie versank in formlosem, undurchschaubarem Schwarz.
    Sie beugte sich zur Seite und streckte Jodokus die Hand entgegen. »Los, hoch mit dir!«
    Der Sänger hatte Mühe, überhaupt auf die Beine zu kommen, doch schließlich packte er Kriemhilds Hand und zog sich mit ihrer Hilfe in den Sattel.
    »Prinzessin!« rief Hagen erneut, und diesmal klang es schon sehr viel näher. »Geh nicht zu Berenike! Du weißt nicht, was dich erwartet!«
    Sie gab keine Antwort. Statt dessen raunte sie Jodokus zu: »Halt dich an mir fest!« Er hatte kaum seine Arme von hinten um ihre Taille geschlungen, da sprang Lavendel auch schon los, trug sie fort von Hagens tückischem Roß und aus der unmittelbaren Gefahr, abermals aufgehalten zu werden.
    Hagen rief wieder ihren Namen und noch etwas anderes hinterher, aber beides ging im Donnern der Hufe unter.
    Nach einer Weile sagte Jodokus: »Er wird uns einholen. Sein Pferd muß nur einen Reiter tragen, es ist auf alle Fälle schneller. Es sei denn …«
    »Was?«
    »Der Junge. Er wird ihn nicht allein zurücklassen, oder?«
    »Das weiß nur Hagen selbst.«
    Allmählich begannen sie auf dem galoppierenden Roß zu frieren.
    Jodokus fragte: »Hast du eine Ahnung, wovor er dich warnen wollte?«
    »Vor Berenike, nehme ich an.«
    »Woher weiß er, daß du zu ihr willst?«
    »Ich habe ihm von ihr erzählt, damals, als sie in Worms war.«
    »Du hast was? « Ungläubig starrte er ihren Hinterkopf an. Ihr wehendes Haar kitzelte seine Nase.
    »Hagen ist ein sonderbarer Mann. Man kann ihm Dinge anvertrauen, ohne daß er zu jemandem darüber spricht.«
    »O ja, gewiß.«
    »Hagen ist verschwiegener als jeder andere am Hof. Er schweigt ohnehin die meiste Zeit.«
    »Trotzdem wirkt er so …« Jodokus verstummte, als ihm nicht das richtige Wort einfiel.
    »Böse?« fragte sie. »Aber nein. Vertraue ihm ein Geheimnis an, und der einzige, der es gegen dich verwenden könnte, ist er selbst. Niemand sonst wird je davon erfahren.« Sie zögerte einen Moment. »Und er ist geradezu besessen von seiner Treue zur königlichen Familie.«
    »Du glaubst allen Ernstes, er hat niemandem erzählt, wo du hin willst?«
    »Niemandem.«
    »Keine Soldaten, die ihm in einigem Abstand folgen? Keine Krieger der königlichen Leibwache?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nur er allein. Er hat mir damals versprochen, niemals mit irgendwem über Berenike zu reden. Er würde lieber sterben, als solch einen Eid zu brechen.«
    »Was dir auch nicht helfen wird, wenn er uns einholt. Er sieht aus, als könnte er ganz gut allein mit dir fertig werden – und mit Berenike noch dazu«
    Kriemhild lachte hell auf. »Aber ich habe doch dich!«
    Darauf fiel ihm nichts mehr ein, und so blickte er unsicher über seine Schulter zurück nach Westen. Falls Hagen sie schon verfolgte, so war er ein Teil der Finsternis.
    Die Unruhe des jungen Sängers legte sich erst, als ihm bewußt wurde, daß er eine leibhaftige Prinzessin in den Armen hielt. Egal, wie auch die Umstände waren: Er spürte ihren schlanken, warmen Körper an seinem eigenen, und alle Ängste waren auf einen Schlag wie fortgewischt.
    Er und Kriemhild allein in der Nacht. Leib an Leib. Ihr Haar an seinen Wangen.
    Was für ein Wagnis! Was für ein Abenteuer!
    »Hast du dich noch nie gefragt«, fragte Kriemhild, als vor ihnen die Sonne aufging, »wer den Unterschied zwischen einem Berg und einem Hügel festgelegt hat? Ich meine, wer hat gesagt: ›Das dort soll fortan ein Berg sein‹ und ›Das da ist ein Hügel‹?« Jodokus schaute auf. »Wen kümmert das?«
    »Mich.«
    »Also«, meinte er seufzend, »mir ist das völlig gleichgültig.« Es kam oft vor, daß Kriemhild über Dinge redete, die er nicht verstand. Und er hatte das Gefühl, als geschähe es immer häufiger, seit Salomes Zopf in Sichtweite war.
    Die Hügelkette – oder Bergkette, denn sie war weit höher, als Kriemhild erwartet hatte – erhob sich als geschwungene Silhouette vor dem Sonnenaufgang. Das Land lag da wie in Gold getaucht. Die Straße schien geradewegs über Salomes Zopf hinweg

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