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Nibelungengold 04 - Die Hexenkönigin

Nibelungengold 04 - Die Hexenkönigin

Titel: Nibelungengold 04 - Die Hexenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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Krieger ihm die Hand auf die Schulter. »Du bist ein guter Kerl, das will ich glauben. Doch nicht dein braves Sinnen wirst du heute unter Beweis stellen müssen, sondern deinen Mut und deine Kampfkraft.«
    »Das will ich«, gab Jodokus mit vorgestrecktem Kinn zurück – obwohl ihn beim Wort Kampfkraft ein kälter Schauder packte, denn aufs Kämpfen verstand er sich alles andere als prächtig.
    »Zuerst aber«, sagte Hagen, »wirst du singen.«
    »Ich hoffe, Ihr gedenkt nicht, die Hunnen mit meinem Gesang zu vertreiben.«
    Noch immer blieben Hagens Mundwinkel starr wie die einer Wachsmaske. »Zwar sandte Berenike der Königinmutter Ute eine Taube mit der Botschaft vom Hunnensturm auf ihre Burg – doch schrieb sie darin auch, daß nicht einmal Felslawinen und Feuer die Angreifer aufhalten konnten. Ich fürchte, junger Mann, mag dein Gesang auch noch so garstig sein, die Hunnenkrieger werden wir damit nicht in die Flucht schlagen.«
    Jodokus atmete auf, doch Hagen sagte: »Dennoch wirst du für sie singen. Nimm den Schimmel und reite zur Burg. Sing irgendein Lied, etwas, das die Hunnen gnädig stimmen mag.«
    »Kein Lied vermag diese Barbaren gnädig zu stimmen«, widersprach Jodokus mit bebender Stimme.
    Hagen nickte. »Das weiß ich. Aber es wird sie hoffentlich lange genug ablenken, bis ich einen Weg in die Festung gefunden habe.«
    »Sie werden mir das Maul mit einem Morgenstern stopfen!«
    »Dein Leben für das der Prinzessin – waren das nicht deine Worte?«
    Jodokus straffte sich. »Ja, Herr.«
    »Wohlan denn, Sänger, so laß uns –«
    Plötzlich drängte sich Jorin zwischen sie. Jodokus und Hagen mußten beide einen Schritt zurücktreten. »Was ist mit mir?« fragte der Kleine keß.
    Jodokus erwartete, daß Hagen dem Jungen mit der Faust Respekt beibringen würde. Statt dessen aber sagte der Krieger: »Du kommst mit mir, Jorin Sorgebrecht.«
    Mit stockendem Atem fragte Jodokus: »Ihr wollt ein Kind mit in den Kampf nehmen?«
    Hagen schenkte dem Einwurf keine Beachtung. Er ging vor Jorin in die Hocke, nahm eine Hand des Jungen in seine behandschuhte Rechte – sie lag sehr weiß, sehr klein auf dem gegerbten schwarzen Leder – und sagte: »Dein Anteil an diesem Abenteuer wird kein geringer sein, mein Kind. Ich möchte, daß du immer daran denkst, ganz gleich, was geschieht.«
    »Ja, Herr«, gab der Kleine zurück, teils verschüchtert, teils stolz.
    So wurde denn der Aufbruch beschlossen. Hagen und Jorin blieben zurück, während Jodokus auf dem Rücken des Schimmels zum Hochweg hinaufritt. Sobald er sich auf dem schmalen Grat befand, konnte er den Blick nicht mehr von der Festung nehmen. Der Umriß der Klippe mit ihren beiden spitzen Türmen kauerte vor dem Nebelmeer wie ein zweiköpfiger Zauberer, verzerrt ins Riesenhafte. Die Oberfläche des Nebels strudelte wie ein See voller Untiefen, und manchmal sah Jodokus aus den Augenwinkeln, daß die Nebelränder an den geborstenen Felsschollen des Hochwegs emporleckten, eine lautlose, geisterhafte Brandung.
    Auf den Zinnen der Festung entdeckte er winzige Punkte, Wachtposten, die ihn längst entdeckt haben mußten. Mit einem Räuspern zog er sein Wams zurecht, streckte sich im Sattel und tätschelte Lavendels Mähne. Dann holte er tief Luft und begann zu singen, ein altes Lied über die Pferdezucht, von dem er hoffte, es entspräche dem Geschmack der Hunnen – vorausgesetzt, sie verstanden seine Sprache. Doch je näher er den beiden Türmen kam, desto schneller schwand sein letzter Rest von Hoffnung. Bei jedem Schritt, den Lavendel tat, erwartete Jodokus, einen Pfeil in seine Richtung zischen zu sehen, und er betete, daß ihn der erste Treffer töten würde. Doch noch hielten die Hunnen sich mit Beschuß zurück, vielleicht weil sie der wunderliche Sänger verwirrte.
    Jodokus hatte etwas mehr als die Hälfte des Hochwegs bewältigt, als eine unerwartete Empfindung ihn traf wie ein Schwerthieb aus dem Hinterhalt. Es war das gleiche Gefühl, das er früher so oft verspürt hatte, das letzte Mal an Kriemhilds Seite, im Wald, kurz bevor der Zorn der Götter über sie gekommen war.
    Sein Gesang brach ab, als seine Kehle sich weigerte, weitere Töne hervorzubringen. Einen Augenblick lang schwankte er im Sattel, und nur mit Glück gelang es ihm, die Zügel zu packen und sich auf Lavendels Rücken zu halten. Sein Mund klappte stumm auf und zu, und seine Augen wandten sich benommen himmelwärts.
    Dort oben aber war nichts. Nur die Sonne und ein paar einzelne Raben in

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