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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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sah ihr nach, als sie aus dem Raum eilte, und trat dann mit wenigen Schritten zu dem Paravent in der Arbeitsecke. Romina hielt ihre Unterlagen ordentlicher sortiert, als er vermutet hätte. Sauber beschriftete Ordner standen aufgereiht in dem kleinen Regal. Rechnungen, Versicherungen, Bestellungen. Kein Computer. Vielleicht hatte sie einen im Haus. Auf einer Ablage befanden sich einige geöffnete Briefe. Nach einem raschen Blick zur Tür blätterte Jan sie durch. Einladungen zu einer Vernissage, Lieferscheine, die Anfrage eines Schulbuchverlags, der den kleinen Drachen abdrucken wollte. Ein Schreiben mit dem Briefkopf der Kunst- und Ausstellungshalle. Das war interessant.
    Aber nichts von dem, was sich auf diesem Schreibtisch befand, erklärte Rominas Zögern, ans Telefon zu gehen.
    An der gegenüberliegenden Wand lehnten zahllose Leinwände, dahinter ein großer, rechteckiger Gegenstand, der von einer Wolldecke verhüllt war. Ein Bild?
    Neugierig trat Jan näher und nahm einige der Bilder beiseite. Auch diese zeigten Rominas Gesicht. Schreiend, wütend verzerrt, höhnisch lächelnd. Auf manchen befanden sich im Hintergrund die Konturen eines Kopfes. Wie konnte jemand so viele sich gleichende Bilder malen, Bilder von so monströser Hässlichkeit? Versteh einer die Künstler!, dachte Jan und lehnte die Leinwände vorsichtig wieder an die Wand. Auf dem Boden zwischen den Bildern glitzerte es. Jan ging in die Hocke und stutzte. Aus dem Staub blinkte ihm etwas entgegen. Vorsichtig tippte er mit dem Finger dagegen. Pailletten.
    Er sah sich um, horchte. Immer noch drang aus dem Haus die Stimme von Romina Schleheck, leise, aber stetig.
    Ihn lockte die verhüllte Leinwand. Was mochte die Schleheck bewogen haben, eines ihrer Bilder zu verhüllen, so offen, wie sie ihre sonstigen Scheußlichkeiten präsentierte?
    Es musste etwas noch Monströseres sein, etwas, das jeden guten Geschmack verletzte, mehr noch als die anderen Bilder.
    Entschlossen griff Jan nach einem Zipfel der Wolldecke und zog daran. Der schmutzig beige Wollstoff saß stramm. Er musste hinten fixiert sein. Er trat hinter die Leinwand, die ihm sehr dick schien. Er tastete durch den Stoff und fühlte drei Rahmen.
    »Was tun Sie da?«
    Er fuhr herum, als Romina Schleheck auftauchte. »Ich sehe mir Ihre Bilder an.«
    »Dann kann ich ja nur hoffen, dass sie Ihnen gefallen.«
    Er antwortete nicht. »Wir sind vorhin unterbrochen worden. Ich wollte Sie gerade nach Ihrem Verhältnis zu Margit Sippmeyer fragen.«
    »Mein Verhältnis zu Margit Sippmeyer«, wiederholte die Malerin und schüttelte unwillig den Kopf. »Ich habe eine Affäre mit ihrem Mann. Das ist alles. Da kann man wohl kaum erwarten, dass wir Freundinnen sind.«
    »Wohl nicht«, sagte Jan und verdrängte den Gedanken, welche Worte Nicoletta wohl für die Frau finden würde, die sie in seinem Bett erwischt hatte.
    »Michael tut gern so, als wäre unser Arrangement streng geheim. Aber natürlich weiß seine Frau Bescheid. So etwas weiß eine Frau. Es hatte früher manchmal unangenehme Zusammenstöße gegeben, darum ist er jetzt sehr vorsichtig. Seine Frau ist darauf eingegangen, das heißt aber nicht, dass sie nicht weiß, was los ist. Ich denke, es ist für beide angenehmer, den Schein zu wahren.«
    »Verstehe«, sagte Jan. Ihm gefiel das Wort »Zusammenstöße«. Es war eine sehr freundliche Beschreibung für die Szene, die er selbst erlebt hatte. Ein diskretes Wort.
    »Und was ist für Sie selbst angenehmer?«
    »Für mich?« Die Frage schien Romina Schleheck zu erheitern. »Das fragen Sie besser nicht!«
    »Für Sie muss die Situation doch am unangenehmsten sein. Als geheime Geliebte, die sich immer im Hintergrund zu halten hat, die nicht an Herrn Sippmeyers öffentlichem Leben teilnimmt.«
    Das Schmunzeln im Gesicht der Künstlerin war unübersehbar. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn offen an. »Michael Sippmeyer ist nicht das Zentrum meines Lebens, auch wenn einige Menschen vielleicht davon ausgehen. Dieses Arrangement kommt mir sehr entgegen. Für mich …« Ihre Stimme verlor sich, und sie räusperte sich kurz, als wolle sie sich selbst am Weitersprechen hindern.
    »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, ich habe zu arbeiten.« Ihr Blick traf die Leinwand auf der Staffelei und wurde hart.
    Neugierig trat Jan näher, so dass er sehen konnte, was sie ansah. Die Leinwand war leer.
    »Dann will ich Sie nicht länger von Ihrer Arbeit abhalten. Hier ist meine Karte. Sie

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