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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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können jederzeit anrufen.«
    »Mache ich.« Es schien, als habe sein Blick auf ihre Leinwand Schleheck auf magische Weise Kraft entzogen. Plötzlich klang ihre Stimme anders, schlaff, mutlos. Ihre müden Augen glitten auf der Leinwand hin und her, als suche sie etwas.
    »Nur mal so aus Interesse«, sagte Jan und betrachtete nachdenklich das Gemälde, das ihm am nächsten stand. »Was ist denn so ein Bild wert?«
    »Was es wert ist«, wiederholte sie. »Die Leinwand hat etwa vierzig Euro gekostet, aber die ist jetzt natürlich nicht mehr neu. Ich würde sagen, es kommt ganz darauf an, ob Sie sich die Mühe machen und das Bild neu grundieren wollen oder ob Sie lokale Künstler unterstützen und mir sogar die Farben bezahlen möchten, die darauf kleben.«
    »Interessante Art, den Wert eines Bildes zu berechnen.«
    »Ja, nicht wahr?«
    »Was kostet es denn nun?«
    Die farbverkrusteten Finger der Frau schnippten gegen das Gemälde. »Siebzig, weil Sie es sind.«
    »Vielen Dank«, sagte Jan und wandte sich zum Gehen. »Sind Sie so nett und kommen heute oder morgen noch einmal ins Präsidium, um Ihre Aussage zu unterschreiben?«
    »Vergessen Sie Ihr Bild nicht. Soll ich es Ihnen einpacken?« Ihre Stimme troff vor Ironie, und doch war da ein bitterer Unterton, den er nicht einordnen konnte.
    »Ich möchte nichts kaufen, Frau Schleheck. Wie gesagt, es war reines Interesse.«
    Sie riss die Tür des Ateliers auf. »Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag.«
    Jan war froh, als er draußen war. Er warf einen Blick zurück. Mit hängenden Schultern stand Romina Schleheck in der Tür und sah ihm nach.
    Jan trat aufs Gas und war erleichtert, als sein Mini um die Ecke geschossen und das Haus aus seinem Blickfeld verschwunden war.
    Offenbar hatten seine Fragen irgendeinen wunden Punkt berührt. Der Stimmungswechsel war frappierend gewesen. Jans Gedanken wanderten von der Künstlerin zu Michael Sippmeyer. Wie konnte ein vernünftiger und gutaussehender Mann mit so einer Verrückten zusammen sein?
    Das war doch wirklich seltsam.
    *
    Warum nur drückte sie ihr Gewissen so quälend und unnachgiebig wie ein zu enger Schuh?
    Am liebsten hätte Edith auf der Stelle nach dem Telefonhörer gegriffen und sich bei ihrer Tochter Henriette entschuldigt. Selbstverständlich hatte sie deren Biographie nur benutzt, um das Gespräch unauffällig auf die Familienverhältnisse der Sippmeyers zu lenken, und diese Rechnung war ja auch aufgegangen.
    Warum also fühlte sie sich so schuldig?
    Andererseits gab es gute Gründe, Henny nicht anzurufen. Da war zunächst einmal die Sache mit der Nummer. Henny war irgendwo in Italien unterwegs und hatte keine Nummer hinterlassen. Edith konnte sie also nicht erreichen, selbst wenn sie gewollt hätte.
    Und dann war da noch der Streit um das Altenheim. Und die Sache mit der fremden Frau, die Henny auf sie gehetzt hatte. Bei dem Gedanken an die unerwünschte Besucherin verging Edith das Bedürfnis nach einem Telefongespräch mit ihrer Tochter.
    Dass sie so etwas getan hatte … Wie die Frau gerannt war!
    Edith stellte die Herdplatte an, um Teewasser zu kochen.
    Der Tag erschien ihr so lang. Hinlegen, dachte sie. Ein bisschen ausruhen, nur für eine kleine Weile, bis das Teewasser kochte. Sie fühlte sich wie zerschlagen. Am liebsten würde sie ins Bett gehen. Nichts essen, nichts trinken, mit niemandem sprechen. Einfach nur die dicke Decke bis unters Kinn ziehen und für einige Stunden unauffindbar im Schlaf versinken.
    Sie sah auf die Uhr. Es war erst elf. Elf Uhr am Vormittag, und sie war schon so erschöpft. Ob das an dem Wein lag, den sie gestern mit Jan getrunken hatte? Es hatte ihr so gut geschmeckt. Mit leisem Lächeln dachte sie an den schönen Abend zurück. Der Mord hatte ihnen jede Menge Gesprächsstoff beschert. Lange hatte sie sich nicht mehr so gut unterhalten. Wie schön, dass Jan jetzt in Königswinter lebte! Und weil ein alleinstehender Mann schließlich auch einmal gutes Essen und Unterhaltung brauchte, würden sie sich oft sehen, auch wenn er in seine Wohnung gezogen war. Er konnte ja nicht immer dieses schreckliche Essen vom Drachengrill kaufen.
    Sie würde sich erst nach dem Mittagessen hinlegen. Es gab noch so viel zu tun. Durch die geschlossene Tür des Küchenschranks glaubte sie, Knoblauch und Frittenfett zu riechen. Sie hatte Jan heute früh gebeten, auf dem Weg zur Arbeit den Müll hinunterzutragen, aber bestimmt hatte er es vergessen.
    Das Wasser kochte immer noch nicht. Edith

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