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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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das wollte man uns offenbar nur glauben machen.«
    »Margit Sippmeyer wurde also nicht entführt?« Elena malte Kringel in ihren Ringbuchblock.
    »Zumindest nicht durch dieses Fenster. Wir haben unterschiedliche Proben von Haaren und Hautzellen sowohl auf dem Teppich als auch auf dem Bett. Überhaupt das Bett … Die Haushälterin hatte es am Vortag gegen zehn Uhr, wie sie sagt, frisch bezogen. Seitdem hat jedoch mindestens eine Person darauf gelegen. Die Kollegen haben Haare und Hautschuppen sichergestellt.«
    »Wie lange dauert es bis zur Analyse?«
    Reimann zuckte die Achseln. »Lange. Mehrere Tage auf jeden Fall. Ich kann versuchen, das zu beschleunigen, aber das kommt darauf an, was das Labor sonst noch zu tun hat. Vor allem brauchen wir Vergleichsproben, sonst bringen die schönsten Spuren nichts. Wir haben natürlich welche von den Familienmitgliedern und Angestellten genommen.«
    »Mir passt das nicht.« Lohse klopfte so energisch auf die Tischplatte, als müsse er jemanden zum Schweigen bringen, dabei hatte er wie immer die nachsichtige Aufmerksamkeit aller. Er war ein beliebter Chef, und niemandem war daran gelegen, dass er ersetzt wurde. Dass er kaum imstande war, seine Aufgaben zu erfüllen, führte dazu, dass alle sich besonders bemühten.
    »Solange wir nicht wissen, ob dort tatsächlich ein Verbrechen geschehen ist, geben wir gar nichts ins Labor. Wir können unmöglich einen so großen Teil unserer Aufmerksamkeit auf Margit Sippmeyer konzentrieren. Wenn sich nachher herausstellt, dass die Frau mit ihrer Jugendliebe am Bodensee sitzt und sich eine kleine Auszeit nimmt, dann zerreißt uns die Presse in der Luft.«
    »Keine Jugendliebe«, sagte Elena, und Jan staunte über die Sicherheit, mit der sie dem Chef entgegentrat. »Margit Sippmeyer wurde seit Jahren von ihrem Mann betrogen. Er lügt, was seinen Aufenthalt zur mutmaßlichen Tatzeit anbelangt. Jede Wette, dass da was ist.«
    »Dass da was ist«, wiederholte Lohse und sah erneut aus dem Fenster. Ein unbehagliches Schweigen entstand, während es in seinem Gesicht zuckte.
    »Wie gesagt, wir haben einiges gefunden. Entweder wurde eine Entführung vorgetäuscht, oder ein Teil der Spuren ist echt«, beharrte Elena.
    Warum war sie sich so sicher? Jan beneidete sie plötzlich. Er war sich nie so sicher. Er würde gleich noch einmal bei der Malerin vorbeifahren, beschloss er. Immerhin war das bisher die einzige Spur.
    Und diesmal würde er gründlich sein. Sehr gründlich. Er würde sich, um mit Clara zu sprechen, zusammenreißen.
    *
    Schmeckten Küsse wie Eiscreme?
    Oder war das eines dieser Märchen, die ältere Mädchen ihren unerfahrenen Klassenkameradinnen erzählten? Es gab ja viele dieser Mythen, und einige hatte die Bravo bereits aufgedeckt. Die Bravo erklärte einem alles. Dass Onanie nicht blind machte. Ob man normal war, wenn man mit fünfzehn noch keinen Oralverkehr gehabt hatte.
    Über die Sache mit dem Eis hatte Lara nichts gelesen, das hatte ihr Sandy erzählt. Dass Roland aus der 12 super knutschen konnte. Was heißt das, super knutschen, hatte Lara gefragt.
    Und Sandy hatte die Augen geschlossen, so verzückt wie die singenden Soul-Ladys auf MTV, und hatte es ihr erklärt. Es ist, als ob man ein Eis isst, ein total leckeres Eis, das schon fast geschmolzen ist. Hmmm-mmm.
    Und während Lara Honig auf ihr Knäckebrot strich und ihrem Vater beim Zeitunglesen zusah, überlegte sie, wie es mit Sven gewesen war. Nicht wie Eisessen. Warm. Nass. Es hatte ihr gefallen.
    Gestern Abend hatte Sven geklingelt. Es war schon spät gewesen, aber weil Laras Vater vom Verschwinden seiner Mutter gehört hatte, hatte er Sven freundlich hereingebeten. Sven hatte immer noch fertig ausgesehen. Und obwohl er gute Neuigkeiten hatte – sein Vater hatte zweifelsfrei festgestellt, dass die tote Frau nicht seine Mutter war –, schien er nicht erleichtert. Wahrscheinlich rechnete er mit dem Schlimmsten. Irgendwie hatte Lara das Gefühl gehabt, Sven wäre erleichtert, wenn sie gefunden würde. Er schien felsenfest davon überzeugt, dass sie tot war.
    Sie hatten dann zusammen Musik gehört, und irgendwann hatte sie ihn geküsst. Weil der Moment einfach gestimmt hatte. Vielleicht hatte er ihr auch leidgetan.
    Oder hatte sie es nur getan, weil sie es endlich hinter sich haben wollte? Weil sie wenigstens eine der vielen Sachen, die sie vom Erwachsensein trennten, abhaken wollte? Es lagen noch viele vor ihr, das wusste sie, und sie hatte eigentlich nicht vor, sich

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