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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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und dich nicht weiter stören.«
    Sie stand vorsichtig auf, ganz so, als säße ein gefährliches Tier ihr gegenüber, das sie durch eine unbedachte Bewegung aufschrecken und gegen sich aufbringen könnte.
    Erst als ihre Hand den Türgriff erreicht hatte, drehte sie sich noch einmal um. »Eins möchte ich dir noch sagen, Sven. Ich will, dass du weißt, wie leid mir das mit deiner Mutter tut. Und das meine ich ganz ehrlich.«
    Sie hatte keine Reaktion erwartet, und als eine kam, zuckte sie zusammen.
    »Ich habe gar nichts gegen Sie«, sagte Sven. Er hatte eine angenehme Stimme, volltönend und ein wenig rauh, es war nicht die Stimme eines Jugendlichen, sondern ein Erbe seines Vaters, mit all dessen Charisma.
    Romina blieb stehen.
    »Meine Eltern sind völlig daneben, alle beide. Über Sie weiß ich nichts. Sie sind mir egal.«
    Romina nickte, und ihre Hand, die die Klinke bereits umklammerte, erstarrte in der Bewegung.
    »Ich habe ihm sogar mal gesagt, dass er uns doch verlassen und zu Ihnen ziehen soll. Vielleicht wäre dann alles besser gewesen.«
    »Wirklich?« Sie wusste, dass das nicht wahr war. Nicht wahr sein konnte. Denn dann wäre alles, was Michael abgezogen hatte in den letzten Jahren, eine doppelte Lüge gewesen. All das Getue um Sven, dem zuliebe er in der lieblosen Ehe ausharrte …
    »Hab ich.« Er verstummte. Dann griff er mitten in den Haufen schwarzer Bettwäsche und zog etwas daraus hervor. »Wollen Sie vielleicht eine rauchen?«
    »Gern.«
    Romina setzte sich wieder auf den staubigen Teppichboden und wartete, bis Sven ihr das zerdrückte Päckchen hinhielt. Sie nahm eine zerknautschte Zigarette, steckte sie zwischen die Lippen, wartete, bis das Benzinfeuerzeug aufschnappte, hielt das Ende ihrer Zigarette in die Flamme und zog. Es biss in ihren Atemwegen, aber sie versuchte, den Schmerz zu ignorieren und konzentrierte sich auf die erste Zigarette seit etwa zwanzig Jahren.
    Sven betrachtete sie interessiert. »Lang rauchen Sie aber noch nicht«, sagte er fachmännisch.
    »Nein«, sagte Romina und versuchte, keine Miene zu verziehen.
    »Sie rauchen jetzt nur, weil Sie meinem Vater versprochen haben, mit mir zu reden, ne?«
    Romina hob die Schultern und ließ sie fallen.
    »Ist schon korrekt«, sagte Sven. Er inhalierte tief, stieß den Rauch durch die Nase aus und sah ihm hinterher.
    »Meine Eltern sind krank. Beide. Total daneben. Ich rede nicht mehr mit denen. Schon lange nicht mehr.«
    Romina schwieg und versuchte zu rauchen.
    »Mein Vater war schon vorher daneben, also bevor er Sie kannte. Immer nur die Scheißkanzlei und Streit und so. Meine Mutter hat nie was gesagt, erst dann, als Sie kamen. Doch da war mir das schon egal.«
    Er sah sie neugierig an, und Romina war nicht sicher, ob er eine Reaktion auf seine Worte erwartete oder auf die Zigarette, die zwischen ihren Fingern klemmte und die bereits einen fingerdicken grauen Aschestreifen balancierte.
    »Abaschen«, sagte er. »Einfach auf den Boden.« Er wies auf den von Wollmäusen und Brandflecken übersäten Teppich.
    Nach kurzem Zögern tat sie, wie er gesagt hatte. Ist eh egal, dachte sie. Alles. Sie sah zu, wie die Asche im dreckigen Teppich versank.
    Ein befriedigtes Grinsen verzog Svens Gesicht. »Sie sind korrekt«, sagte er. »Echt. Vielleicht hätte er zu Ihnen gehen sollen. Dann hätte meine Mutter geheult, und er wäre der Böse gewesen. Und Sie auch, natürlich. Wahrscheinlich hätte ich Ihnen Eier ans Auto geschmissen und so.« Er sah vor sich in die Luft, und in seinem Gesicht stand deutlich geschrieben, dass ihm dieser Gedanke gefiel. Klare Verhältnisse, dachte Romina. Das hätte ihm gutgetan.
    »Ich habe gar kein Auto. Nur einen Lieferwagen, aber den fährt meine Aushilfe.«
    »Echt nicht? Ach so. Dann vielleicht ans Fahrrad?« Zweifelnd sah er sie an, als erwarte er einen Tipp.
    Als sie ihm zulächelte, spürte sie überrascht, wie herzlich dieses Lächeln geriet. Sie mochte den Jungen. Obwohl er ihr verraten hatte, dass Michael auch sie selbst in seine ständigen Lügen eingeschlossen hatte. »Das wäre schon okay gewesen mit den Eiern, Sven. Ich hätte es ja irgendwie verdient.«
    »Finden Sie?«
    »Klar. Das gehört zum Risiko, wenn man eine Affäre mit einem verheirateten Mann hat.«
    Sven zündete sich eine neue Zigarette an. »Wenn er zu Ihnen gegangen wäre, dann wäre alles anders gekommen.«
    »Was meinst du damit?«
    »Alles. Der Scheiß mit meiner Mutter. Dass die jetzt weg ist. Alle sagen, sie ist vielleicht tot,

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