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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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Tuffgestein entgegen, und im ersten Moment war er erstaunt, aber nur kurz. Dann war blitzartig die Erinnerung da.
    Das sind die Reste des Nibelungenschatzes, hatte seine Großmutter geflüstert, Siegfried hat sie damals so schnell heruntergerissen, dass winzige Splitter der Juwelen zurückgeblieben sind.
    Was hatte Siegfried eigentlich mit dem Schatz gemacht? Er wusste es nicht mehr. Oder hatte er die Geschichte überhaupt ganz falsch im Kopf? Er musste Edith fragen. Und plötzlich, wie eine Eingebung, wusste er, was Tod bedeuten würde: dass er sie nicht mehr fragen könnte. Dass er sein Problem zwar googeln konnte oder seiner Assistentin zur Recherche auftragen, aber nie würde er wissen, was damals die Antwort seiner Großmutter gewesen war. Sie würde diese Antwort nicht wiederholen können, nie mehr.
    Das war Tod.
    Ihm wurde kalt, eiskalt, und die Wände kamen ihm plötzlich viel zu nah vor.
    Und da war noch etwas … Eine Art dumpfes Grollen, aber vielleicht bildete er sich das auch ein, ein Gefühl, als nähere sich etwas, etwas Dunkles.
    Er lauschte.
    Etwas kam.
    Von unten.
    Mit einem Satz war er draußen, sprang die zwei Meter zum Weg hinunter, schüttelte seine Phantastereien ab. Spürte erleichtert den Weg unter seinen Füßen und die frische winterliche Luft in seinen Lungen.
    Es war noch ein ganzes Stück bis zu seinem Auto, aber er genoss jeden Schritt. Er wusste jetzt, was er zu tun hatte.
    Er war nicht mehr der kleine Junge, für den jemand die Welt mit einem Stück Sandkuchen und einer Tasse Kakao in Ordnung brachte. Er war erwachsen. Er würde nicht zulassen, dass Edith ihm durch ihre eigene Halsstarrigkeit vorzeitig entrissen wurde. Man durfte sie nicht weiter sich selbst überlassen. Sie konnte stürzen oder etwas Falsches essen und sich vergiften oder einen Infarkt bekommen, und dann wäre niemand bei ihr, und sie würde sterben, ganz allein. Damals hatte er sie vor einem Drachen beschützen wollen, der niemals gekommen war, jetzt war alles anders, er war groß. Jetzt konnte er sie beschützen, vor Unfällen, vor ihren unrealistischen Vorstellungen von Selbständigkeit im Alter, vor ihrem Tod. Sie musste in ein Heim.
    Sie würde ihn dafür hassen, aber das Risiko musste er eingehen. Dafür, dass sie am Leben blieb. Dafür, dass er sie weiter fragen konnte, zum Beispiel nach der Sache mit Siegfried und dem Schatz.
    Und er zog sein Handy heraus, um einen sehr unangenehmen Anruf zu machen.
    Und danach, das schwor er sich, würde er Nicolettas Nummer wählen und sie zum Abendessen einladen.
    *
    So wie sie einander jetzt gegenübersaßen, hätten sie ein uraltes Ehepaar sein können, dachte Romina. Vertraut und doch fremd. Sprachlos. Ratlos.
    Vielleicht lag es an der glänzenden Hightechküche, die so ganz anders war als ihre eigene bunt zusammengewürfelte Hexenküche, in der es nach Kräutern und Farbe roch statt nach porentiefer Sauberkeit.
    »Erzähl schon«, sagte Michael zum zweiten Mal, und sie seufzte.
    »Ich komme mir vor wie ein Spion.«
    »Jetzt rede.«
    »Wir haben nicht viel gesprochen. Ich habe seine komische Musik ausgemacht, und er hat zuerst überhaupt nichts gesagt.«
    »Das ist immer so«, sagte Michael versonnen. »Er redet einfach nicht. Nie. Und immer diese Musik.«
    Romina sagte nichts. Ihr passte dieses Gespräch nicht. Es war ein Gespräch, das etwas anderes verdeckte.
    »Schmeckt er nicht?«
    »Wer?«
    »Der Kaffee!«
    Sie sah vor sich auf den Küchentisch, und zwischen ihren Händen hielt sie eine Tasse, in der genau diese schaumige Crema glänzte, die in Zeitschriften aus den Anzeigen lockte und die Romina für eine Erfindung der Werbung gehalten hatte.
    Michael hatte mit viel Aufhebens die Maschine in Gang gebracht, ein chromglänzendes Monster, das unter Fauchen und Spucken seinen Kaffee hervorgewürgt hatte, als wüsste es, dass Romina jetzt nichts weniger wollte als Kaffee. Und auch Michael hätte das wissen müssen, sie trank immer nur Kräutertee.
    »Er hat erzählt, dass er eine Theorie darüber entwickelt hat, was mit deiner Frau passiert ist«, sagte sie, und es erfüllte sie mit hämischem Vergnügen, wie Michael bei ihrer Wortwahl zusammenzuckte. Deine Frau, dachte sie. Deinefraudeinefraudeinefrau. Das ist sie, und das wird sie bleiben, egal, ob sie tot ist oder lebendig.
    »Was für eine Theorie?«
    »Das wollte er nicht sagen.« Sie betrachtete ihren unberührten Kaffee.
    »Bist du ehrlich? Hat er etwas über Drogen gesagt? Ich befürchte, er nimmt welche. Sag

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