Niccolòs Aufstieg
die Bretagne. Wenn das Leben seine Tore nicht öffnete, würde sie sie eben aufbrechen müssen.
Nein, das hatte sie bereits getan.
Ihr Partner bei dieser Erfahrung war gerade damit beschäftigt, die Tore wieder zu schließen. Ja, Jongeheer Felix verbringe die Nacht auch in Gent. Nein, Claes bedaure, er habe für Jongeheer Felix und sich keine Betten in diesem Gasthaus, sondern in einem anderen bestellt. Was, das hatte er Jongeheer Felix gar nicht gesagt? Er mußte es wohl vergessen haben.
Freundlich wie Katelinas Vater war, drängte er die jungen Leute nicht, ihre Pläne zu ändern. Das Gasthaus war zudem sehr teuer. Vielmehr lud er den lieben Sohn seines alten Freundes Cornelis ein, mit ihm und seiner Familie zu Abend zu essen. Und natürlich Claes mitzubringen, der die kleine Gelis so gut behütet hatte. Das war, dachte Katelina, darauf zurückzuführen, daß sich Claes’ Aussichten, wie es in Brügge hieß, gebessert hatten. Felix nahm die Einladung hocherfreut an, damit war sein Quartiermeister überstimmt und sagte nichts mehr.
Ihr Vater hatte ihn Claes genannt. Unter diesem Namen kannte ihn ganz Brügge, und vielleicht würde die Stadt ihm nie einen anderen zugestehen. Es war der Name, den sie ihm seit jener Nacht in Gedanken immer gegeben hatte.
Vorübergehend trennten sie sich. Felix und seine Begleitung brachten Pferde und Gepäck in ein anderes Gasthaus, an dessen Namen sich Claes offenbar nicht sogleich erinnern konnte. Dann kamen sie zurück, um als Gäste von Florens van Borselen sein Abendessen mit ihm zu teilen.
Katelinas Vater hatte ein Privatzimmer für seine Familie genommen und noch andere Gäste eingeladen, alles freie Bürger von Gent und auch eine oder zwei Ehefrauen und eine Tochter. Sein Schreiber war ebenfalls da, und es war ihm wohlüberlegt ein Platz an der Seite von Claes angewiesen worden. Der Raum war klein, und auf dem sauberen, gefliesten Fußboden stand ein langer Tisch, der von einem guten Leinentuch mit Hohlsaumstickerei bedeckt war. Die Gesellschaft hatte an drei Seiten des Tisches auf Bänken Platz genommen und aß und trank und führte höfliche Gespräche, bedient von den vortrefflichen Dienern ihres Vaters. Katelina beobachtete, daß das einzige andere junge Mädchen Claes ansah, wegschaute und ihn erneut ansah. Er schien es nicht zu bemerken, aber sie wußte genau, daß er es bemerkte. Auch wenn der Schreiber und er einander unendlich viel zu sagen hatten.
Ihre Mutter sprach, wie nicht anders zu erwarten, von Brüssel. Felix steuerte etwas bei, wechselte aber bald das Thema und begann einen ausführlichen und recht begeisterten Bericht über die Jagd mit den Hunden des Dauphin. Danach sprach ihr Vater über die Schönheit Löwens, die Professoren sowie über die Charetty-Niederlassung und jenen Bereich des Geschäfts, von dem er annahm, daß Claes und auch Felix sich gern darüber unterhalten würden.
»Ihr vergeßt, Vater«, sagte Katelina, »daß Claes mit diesem Teil des Geschäfts nichts mehr zu tun hat. Er ist jetzt Kurier.«
Ihre Mutter klopfte ihrem Vater auf die Hand. »In der Tat, Meester Florens, das habt Ihr vergessen. Und auch das Geschenk für Gelis, der schöne Handschmeichler in Apfelform aus Mailand. Eine schöne Stadt, wie ich höre. Aber der Kaplan der Prinzessin war entsetzt, wie weiß die Damen dort ihre Gesichter schminken. Er ist ein toleranter Mann, doch das war zuviel für ihn.«
Katelinas Vater hörte selten zu, wenn seine Frau etwas sagte. Eine Gewohnheit, die nicht unbeträchtlich zu seiner Liebenswürdigkeit beigetragen haben mußte, wie Katelina oft dachte. Jetzt fragte er: »Kurier? Das führt dich sicher an einige interessante Orte. Bist du für den Dauphin tätig?«
Die beiden trügerischen Grübchen erschienen auf Claes’ Wangen. Das Mädchen - wer war das eigentlich? Katelina hatte ihren Namen nicht verstanden, als ihr Vater sie vorgestellt hatte - starrte sie fasziniert an und wandte ihren Blick nicht von Claes.
»Jongeheer Felix jagt mit den Hunden des Dauphin«, sagte Claes, »aber damit ist die Grenze des herrschaftlichen Umgangs, den wir pflegen, auch schon erreicht. Ich bin allerdings für Angelo Tani tätig, für die Strozzi-Bank und für die Doria.«
»Nun, ich habe den Dauphin kennengelernt, auch wenn du ihn nicht kennst«, sagte Felix und warf sein ausnahmsweise schön gelocktes Haar zurück. »Ein wunderbares Schloß, Genappe. Ich nehme an, Ihr kennt es?«
Da sie es nicht kannten, erzählte er davon. Der Bericht
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