Niccolòs Aufstieg
ansetzen, sonst bleibt am Ende nichts, worüber Ihr Euch amüsieren könnt.«
Die nächsten zwei Tage waren unangenehm, es gab ständigen Aufruhr im Lager, weil jede Schwadron bei dem kommenden Angriff dabei sein und um Ruhm und Beute kämpfen wollte. Der von heftigen Schmerzen ans Bett gefesselte Graf von Urbino bemühte sich von seinem Zelt aus vergeblich, der Unruhe ein Ende zu setzen; er konnte den Befehl, den er selbst Alessandro Sforza erteilt hatte, nicht zurücknehmen. Als endlich der Tag des Angriffs da war, standen nicht nur die drei bevorzugten Schwadronen, die Sforza über die Ebene zu führen gedachte, unter Waffen, sondern fast das ganze Lager.
Und dem Feind war das alles nicht verborgen geblieben. Nicht nur der geplante Angriff schien ihm bekannt zu sein, sondern auch sein Umfang. Sobald Sforza aus dem Lager hinausstürmte, setzte sich drüben am Hügel Piccinino in Marsch. Kaum galoppierten von der einen Seite Sforzas drei Schwadronen vorwärts, sprengte ihnen von der anderen Seite eine gleich starke Reiterschar entgegen.
Paltroni, der Sekretär des Grafen, stand draußen vor dem Zelt seines Herrn und übermittelte diesem die Nachrichten, wie sie von den Kurieren überbracht wurden. Ehe die Anweisungen des Grafen weitergeleitet werden konnten, beschloß eine Gruppe unbesonnener Offiziere einen weiteren Angriff. Die Tore wurden aufgerissen. Eine vierte, in aller Eile aufgesessene Schwadron stürmte los, mitten hinein ins wildeste Schlachtgetümmel. Sogleich wurden auch am Hang gegenüber einer zusätzlichen Reitertruppe die Tore geöffnet.
In der Ebene stießen die zwei ersten Schwadronen krachend aufeinander, ohne Plan und ohne Strategie. In das die Erde erschütternde Donnern der Hufe mischten sich der klirrende Schlag von Schild, Lanze und Pike und ein Dröhnen wir von Schmiedehämmern. Das unablässige Schreien von Menschen und das schrille Wiehern von Pferden hing über der Begegnung. Rote Staubwolken wirbelten auf, blieben in der Luft stehen, fielen herab auf die dunkle funkelnde Masse und umhüllten sie.
Die Masse wogte im Dunst wie ein Bienenschwarm. Dicht zusammengeballt zog es sie bald hierhin, bald dorthin, und ihre Ränder veränderten sich unaufhörlich mit den Wendungen der stampfenden Läufe und der runden Kruppen der Streitrosse. Die frischen Schwadronen preschten direkt auf den Schwarm zu, zuerst von der einen, dann von der anderen Seite, teilten sich und stürzten sich in den Kampf.
Die dichtgefügte Masse lockerte sich und breitete sich aus. Dort, wo die Kämpfe am schlimmsten tobten, klafften dunkle Lücken, deren Ursache nicht zu erkennen war. Die Scharen der Lebenden zogen sich in Strudeln zusammen, bildeten neue Stränge und Knäuel, und die Frontlinie wurde immer länger. Der Strom der Reiter, die vom Hügel herabstürmten, riß jetzt nicht mehr ab.
Astorre, der vom höchsten Punkt des Lagers mit den anderen Führern den Gang der Schlacht verfolgte, machte plötzlich auf dem Absatz kehrt und sagte etwas zu Thomas. Kurz darauf wappneten sich, ebenso wie die restlichen Truppen im Lager, die Überlebenden von Sarno, saßen auf und formierten sich zum Kampf.
Tobias war nicht unter ihnen. Aber Julius, in Harnisch und Helm, den linken Arm ohne Schlinge. Astorre musterte ihn, sagte aber nichts. Er konnte Lanze oder Schwert führen und sein Pferd mit den Knien lenken, wenn es sein mußte.
Niemand hatte den Befehl zu einem Generalangriff gegeben, aber es würde einer werden, wenn weitere Schwadronen in den Kampf ritten. Doch wenn sie sie zurückhielten, würde es draußen auf der Ebene, die nun bald von Piccininos gesamtem Heer überzogen war, wahrscheinlich ein Gemetzel geben. Bis jetzt hatte die Parole »Abwarten« gelautet. Doch Tobias war nicht hier, und das bedeutete etwas anderes.
Felix hatte seinen auffallenden Helm auf. Er war bleich, und seine grauen, flach im Gesicht liegenden Augen blitzten im Schatten des Federbuschs. Auf seiner Rüstung flirrte die Hitze. Sie trugen allesamt Handschuhe, und Astorres Truppe zeigte die blauen Bänder des Hauses Charetty. Auch Astorre trug seinen prächtigsten Helm, den mit dem Nasenschutz. Der Federbusch, so stolz noch in Mailand, hing ihm in das bärtige, leidenschaftlich zuckende Gesicht, und Thomas, dem er hin und wieder etwas zurief, stand wie erstarrt, die Hand am Schwertknauf, und antwortete ihm nicht.
Julius schaute sich immer wieder um. Abrami. Manfred. Ein kräftiger Mann in einer soliden Halbrüstung hinter ihm sagte:
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