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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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»Ich sehe Lionetto gar nicht. Ist er schon weg?«
    Unter dem Helm erkannte er das vertraute Gesicht von Nicholas mit der unvertrauten Narbe und den beiden Grübchen. »Was fällt dir ein? Was tust du hier?« fragte Julius.
    »Die Frauen haben mich vom Wagen geworfen, ehe ich mich überhaupt wehren konnte. Tobias ist nicht hier.«
    »Ich weiß. Das kann nur bedeuten … Bei Gott, da ist er!«
    Keiner kam auf den Gedanken, er könnte Tobias meinen, obwohl der vor Urbinos Zelt erschienen war. Sein Blick war auf den Grafen gerichtet, der steif wie ein Leichnam von mehreren Leuten mit Mühe in den Sattel seines Streitrosses gehoben wurde.
    Der Graf trug keine Rüstung. Er hatte sich ein Lederwams ausgeliehen, und man hatte es über dem Verband verschnürt, der ihn vom Hals bis zu den Hüften zusammenhielt. Statt des Helms saß eine leichte Kappe auf dem licht gewordenen Haar, das vom langen Liegen noch flachgedrückt war. Darunter sprang scharf sein markantes Gesicht hervor, unverkennbar für jeden mit dem tief eingesunkenen Auge und der gebrochenen Nase.
    Es war nicht die erste Verwundung in seinem Kriegerleben, aber keine andere hatte ihn dem Tod so nahe gebracht, dabei war es nur ein freundschaftlicher Kampf gewesen. Er war grau im Gesicht und hielt krampfhaft den Atem an, als er losritt. Er hielt auf ein Stück höherliegendes Gelände zu, wo er sein Pferd zügelte um das Wort an sie zu richten. Dann holte er allen Schmerzen zum Trotz tief Luft, weil er sicher sein wollte, daß seine Stimme tragen würde.
    Er machte Alessandro Sforza keinen Vorwurf. Es sagte nur, der Feind habe nach und nach alle seine Truppen in die Schlacht geworfen oder sei im Begriff dies zu tun, sie müßten ihm daher Widerpart bieten, wenn sie den heutigen Tag nicht verlieren wollten. Schon jetzt seien ihre Truppen infolge des gegnerischen Drucks viel zu weit auseinandergezogen, und wenn sie nicht bald Unterstützung erhielten, würde der Feind ihre Linien durchbrechen. Dann würde das ganze Lager in Feindeshand geraten, und ihre Hoffnungen, Neapel zu erreichen und König Ferrante bei der Verteidigung seiner Hauptstadt zu helfen, wären zunichte. Er habe gehofft, denen, die schon so schwere Kämpfe hinter sich hatten, würde eine weitere Schlacht erspart bleiben, aber es solle offenbar nicht sein. Gott werde es ihnen vergelten.
    Zu mehr blieb keine Zeit. Sie saßen auf. Zum ehemaligen Lehrling der Witwe Charetty sagte Julius: »Um Gottes willen! Ist das deine erste Schlacht?«
    »Ein Kinderspiel«, behauptete Nicholas. »Im Sattel bleiben und den Kopf einziehen. Was habt Ihr überhaupt hier zu suchen? Ihr seid ein Mann des Wortes.«
    »Mir geht’s wie dir. Ich fühle mich an Astorres Seite sicherer als allein hinten beim Troß. Bleib neben ihm und tu, was er dir sagt.«
    Nicholas fing an zu lachen. Bevor Julius ihn nach dem Grund fragen konnte, hatten sie das Lager hinter sich gelassen und ritten in leichtem Galopp über die Ebene in den Kampf. Über ihnen knallten die Fahnen im Wind und vor ihnen schmetterten die Trompeten.
    Die Schlacht von Fabiano, so leichtsinnig angezettelt, tobte sieben Stunden lang und erwies sich, als endlich der Abend dem Blutvergießen ein Ende bereitete, als eine der verlustreichsten ihrer Zeit. Vierhundert Pferde kamen um. Wie viele Soldaten ihr Leben lassen mußten, war nicht so leicht festzustellen, da beide Seiten ihre Toten fortbrachten. Mit dem Entlastungsangriff unter dem Grafen von Urbino wurde zwar die unmittelbare Gefahr für das Lager abgewendet. Aber zu diesem Zeitpunkt, oder doch wenig später, hatte Piccinino bereits sein gesamtes Heer aufgeboten, um Sforza und Urbino einen Kampf ohne Gnade zu liefern.
    Das Schlachtgetümmel blieb nicht mehr auf einen heiß umkämpften Brennpunkt beschränkt, es teilte sich und wogte bald in alle Richtungen, wobei es einmal Urbinos Lager bedrohte und dann wieder Piccininos Krieger an den Hang ihres Hügels zurückdrängte. Wie Felsbrocken auf einem Geröllfeld lagen die toten Pferde herum. Jene, die schwer getroffen noch um sich schlugen, brachten Reiter zu Fall und begruben sie unter sich. Überall lagen Menschen. Keiner konnte im Kampf darauf achten, wohin er selbst oder sein Pferd die Füße setzte. Und später, als es langsam dunkel wurde, konnte es geschehen, daß man über Sterbende hinwegtrampelte oder Männer niederritt, die noch kämpften oder flohen oder dastanden wie versteinert, halb bewußtlos von der Erschöpfung, den erlittenen Verwundungen und der

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