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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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Der Bolzen war schon auf dem Weg.
    Nicholas hatte sein Pferd angehalten und beugte sich hinunter, um Felix in den Sattel zu ziehen, als der einen leisen Seufzer ausstieß. Sein Mund öffnete sich. Statt aufzuspringen, sank er langsam auf die Knie. Nicholas schleuderte die Zügel weg und ließ sich zu ihm hinunterfallen. Sie sahen ihn niederknien und Felix um die Schultern fassen. Sie sahen, wie er ihn an sich drückte und an seinem Rücken hinunterblickte. Der Bolzen zwischen Felix’ Schulterblättern war deutlich zu erkennen.
    Julius wollte sein Pferd vorwärtstreiben. Dann aber sprang er kurzerhand aus dem Sattel, um zu Fuß loszulaufen, und sah, daß Tobias das gleiche tat. Nach diesem einen letzten Schuß waren die Lebenden an den Rand des Feldes zurückgewichen. Leises Schwanken, unruhiges Füßescharren, mühevolle Bewegung bei den Versuchen, die Verwundeten zu stützen, ging durch die Reihen, sonst rührte sich nichts auf beiden Seiten. Die Trompeten stimmten die letzte Kadenz ihres Signals an. Julius erreichte den verwundeten Felix.
    Tobias war schon da. Er stand hinter Felix, aber er berührte ihn nicht. Er sah nur Nicholas an und dann Julius und schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf.
    Nicholas sprach mit Felix, aber Julius konnte die leise gesprochenen Worte nicht ausmachen. Dann und wann fragte Felix etwas, und Nicholas antwortete. Er hatte eine Hand unter seinen Arm geschoben, um ihn zu stützen. Mit der anderen hielt er von hinten, über dem mörderischen Bolzen, Felix’ Kopf sanft an seine Schulter gedrückt. Der leichte Abendwind bewegte das glatte braune Haar.
    »Du kannst ihn niederlegen, wenn ich ihn herausgezogen habe«, sagte Tobias. »Dann wird es schnell zu Ende gehen.«
    »Das weiß er«, sagte Nicholas.
    Er sah zu Felix hinunter. Offenbar fand irgendein Austausch zwischen den beiden jungen Männern statt. Denn als Nicholas wieder aufblickte, suchte er Tobias’ Blick und sagte: »Ja, bevor die Schmerzen noch schlimmer werden.«
    Anderswo in der Ebene lagen wimmernde Männer, aber Felix ließ keinen Laut hören, als der Bolzen herausgezogen wurde. Julius sah nur das Pulsieren des aufspritzenden Bluts. Tobias schnürte den Harnisch auf, und Nicholas ließ den zarten, drahtigen Leib zur Erde hinunter.
    Felix sah eingefallen aus, wie früher nach durchzechten Nächten oder großer Aufregung oder zuviel Zweisamkeit mit Grielkine. Die großen, flach im Gesicht liegenden Augen, ohne Glanz jetzt, waren unverwandt auf Nicholas gerichtet. »Warum hast du meine Mutter geheiratet?«
    »Weil ich euch beide liebe«, antwortete Nicholas.
    Wenig später sagte Tobias leise: »Drück ihm die Augen zu.«
    Nicholas trug Felix de Charetty vom Schlachtfeld in sein Zelt. Auf dem letzten Stück half ihm Loppe. Dann schloß der Doktor die Zeltklappe und kam lange nicht wieder heraus.
    Nicholas kam überhaupt nicht wieder heraus, schlief also wohl drinnen. Als er am folgenden Morgen zu Astorre ins Zelt trat, hatte er seine Satteltaschen bereits gepackt. Aber er ging ohne ein Wort an Julius und den anderen vorüber. Tobias sagte schließlich: »Nicholas meint, die Mutter müsse es so schnell wie möglich erfahren, und ich finde, er hat recht. Er bricht gleich nach der Beerdigung auf, ohne Rücksicht auf das Fieber. Er nimmt Loppe mit, aber ich wäre ruhiger, Julius, wenn du ihn begleiten würdest. Vorausgesetzt natürlich, du willst überhaupt nach Brügge zurück.«
    Julius wußte, welchen Tag man schrieb. Es war Mittwoch, der dreiundzwanzigste Juli. Ganz gleich, wie schnell man aufbrach, Marian de Charetty würde vom Tod ihres Sohnes erst nach Wochen erfahren, vielleicht nicht vor September.
    »Und du?« fragte er. »Nein, du bleibst natürlich! Die vielen Verwundeten.«
    Tobias Augen waren verquollen von Schlaflosigkeit. »Ich habe hier zu tun. Es ist eine Katastrophe und völlig sinnlos. Wir haben am schwersten gelitten, soweit ich sehen kann. Aber Piccinino wird trotzdem so schnell nicht wieder angreifen. Wenn überhaupt. Auch seine Verluste waren zu hoch. Astorre bleibt bis zum Ablauf seines Vertrags, und ich lasse ihm natürlich Gottschalk. Ich selbst komme nach Brügge, sobald ich kann.«
    »Ich reite mit zurück«, entschied Julius. »Felix, Claes und ich. Nicholas. Wir haben viel zusammen erlebt, und Felix war ein guter Kerl. Aber ich hätte nicht gedacht…« Er brach ab.
    Tobias fixierte ihn mit seinem eigenartigen Raubvogelblick. »Daß Nicholas so handeln würde? Wir beide haben dem Tod auf dem

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