Niccolòs Aufstieg
wir können ihn nicht besiegen. Aber solange er uns den Weg versperrt, hindern wir ihn ebenso daran, Herzog Johann zu Hilfe zu kommen. Je länger wir ihn hier festhalten, desto mehr Hoffnung haben wir, aus Mailand Verstärkung zu erhalten. Laßt ihn doch seine Ritterspielchen machen. Singt ihm was vor. Tut, was ihr wollt, nur kämpft nicht, solange wir nicht in der Lage dazu sind.«
Nicholas, der in sein Kissen gebettet Astorre beobachtete, merkte wohl, daß der seine Worte nicht an ihn richtete. Astorre mied ihn, seit er zurück war. Er war jetzt der Ehemann der Demoiselle, der Astorre jederzeit befehlen konnte, während er gestern noch bei ihm in die Lehre gegangen war. Astorre wußte noch nicht recht, wie er sich verhalten sollte. Es war schwierig für ihn, das sah Nicholas ein. Er hoffte, der alte Haudegen würde so vernünftig sein, sich mit Julius zu besprechen, der bisher einen bemerkenswerten Mangel an Neugier hinsichtlich seiner Heirat an den Tag gelegt hatte, vielleicht weil sein ruppiger Arzt ihm - Nicholas - strenge Schonung verordnet hatte. Ein baldiges Gespräch mit Julius war angezeigt.
Die Gelegenheit dazu bot sich am Tag des Turniers, das wahrlich kein Bauernstechen war. Da standen die Krieger des Grafen gegen die Ritter des Herzogs, und auf beiden Seiten verlangte die Ehre Großartigkeit und Pracht.
Die Gesellschaft Weißer Bär in Brügge hätte nichts Glänzenderes bieten können. Vom Wettstreit angestachelt, hatten die Zimmerleute beider Heere Tribünen errichtet und die Heeresfahnen aufgestellt, während die Arbeiter bemalte, mit Schilden behängte Zelte aufbauten. Die Sonne funkelte auf Trompeten und Wappenröcken, brach sich mit heißem Glanz auf dem getriebenen Metall der Harnische. Die bestickten Schabracken der stolzierenden Pferde, deren Mähnen mit Federbüschen und Quasten geschmückt waren, leuchteten in allen Farben. Grotesk herausgeputzte Vögel und andere Tiere zierten die Helme der Streiter und glitten, mit dem Schritt ihrer Träger wippend, hinter den Schranken dahin wie ein lebendes Bestiarium. Hinter den Zelten zu beiden Seiten des Turnierplatzes lagerten zwanglos die Truppen der feindlichen Heere. Auch Nicholas war da, von Julius’ gesundem Arm gestützt.
Der Hauptmann selbst half Felix in sein Stechzeug. Von den Plätzen aus, die Julius ihnen gesucht hatte, konnten sie in der Ferne das Charetty-Blau erkennen. »Es wird schon gutgehen«, sagte Julius. »Er ist schnell. Sogar Astorre war erstaunt.«
»Ich habe seine Teilnahme am Turnier Weißer Bär verhindert«, sagte Nicholas. »Aber er weiß es nicht.«
Mit strengem Blick sah Julius ihn an. »Du hast Felix nach Neapel geschickt. Sag nicht, du hättest ihn nicht zurückhalten können. Er hat sich deine Heirat gefallen lassen, da hätte er sich auch alles andere gefallen lassen.«
»Hat Astorre sich meine Heirat gefallen lassen?«
Julius lachte. »Willst du wissen, was er gesagt hat, als er davon erfuhr?«
»Nein.«
»Zu allem Überfluß glaubte er damals auch noch, Tobias wäre wieder bei Lionetto. Ihm wäre beinahe das andere Ohr abgefallen. Es ging ihm natürlich gleich besser, als Felix sagte, daß du nur Geschäftsführer bist und Tobias nicht wortbrüchig geworden war.«
»Ja, das habe ich gemerkt«, erwiderte Nicholas. »Sagt ihm, die Demoiselle überläßt mit Freuden alle Kriegsgeschäfte ihm und Thomas. Wie komme ich dazu, ihm Vorschriften zu machen?«
»Ich werde es ausrichten.« Doch Julius war skeptisch. »Und wenn du doch einmal etwas von ihm willst?«
»Dann wird Felix es ihm sagen«, meinte Nicholas.
Julius sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
»Felix ist der Erbe des Hauses Charetty«, sagte Nicholas. »Das dürft Ihr nie vergessen. Er und seine Mutter sind die Eigentümer. Ich bin bloß jemand, der ihnen etwas schuldet.«
»So wie du Jaak de Fleury etwas schuldest?« fragte Julius. »Schließlich war er ebenfalls an deiner Erziehung beteiligt. Genau wie Simon von Kilmirren. Der hat dir das Schwimmen beigebracht. Auch zu ihm warst du freundlich. Vermutlich willst du sogar noch dem Kerl danken - wer war das eigentlich? -, der dein Gesicht so elegant gezeichnet hat? Und wahrscheinlich schuldest du sogar Lionetto etwas, wie? Du läßt dir ja alles von ihm gefallen.«
Sechs Monate waren vergangen, seit Nicholas sich in Mailand von Julius getrennt und Astorre die kleine Truppe nach Neapel geführt hatte. Er konnte Julius nicht mehr verstehen. Und Julius seinerseits hatte ihn nie verstanden.
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