Niccolòs Aufstieg
Schleier ihr Gesicht umrahmte.
Nach einer, wie es schien, langen Pause sagte der Kerl: »Ihr seid aus der Bretagne zurück.«
»Ich hoffe, du hast den Vogel Strauß erhalten. Ich habe mein Bestes getan für den armen Lorenzo.«
Die Bemerkung erschien Simon völlig unsinnig. Er hatte erwartet, sie würde in den Hohn einstimmen. Der Kerl sah aus, als wüßte er nicht, was er sagen sollte. Schließlich sagte er: »Er ist angekommen. Ich muß ihn mir heute noch ansehen. Ich danke Euch.«
»Und ich höre, du bist jetzt verheiratet«, fuhr Katelina fort. »Das ist deine Frau?«
Er drehte sich nicht herum. »Ja. Ihr seid mit.,.«
»Ich bin mit meinem Ehemann hier, Lord Simon. Und ist Eure Frau schon guter Hoffnung? Ach nein, die Zeiten liegen wohl hinter ihr. Du wirst ja schon bald deine Stieftöchter unter die Haube bringen müssen. Laß es mich wissen, wenn ich bei der Suche nach Ehemännern für sie behilflich sein kann.«
Simon starrte Katelina an. »Was geht dich die Ehe eines Küchenjungen an? Treibst du Scherz?«
»So wird es wohl sein«, antwortete Katelina. »Und ich habe schon genug davon. Wollen wir nach Hause gehen? Du möchtest doch, daß ich möglichst viel ruhe.« Sie wandte sich wieder diesem Kerl zu. »Mein Mann ist nämlich unendlich besorgt um mein Wohl.«
Simon war noch nicht fertig mit dem Kerl. Er hatte vorgehabt, ihm noch viel mehr zu sagen, auch wenn es Gruuthuse nicht paßte. Aber wenn Katelina sich so mit ihrem ganzen Gewicht auf seinen Arm stützte, erschrak er immer ein wenig. Aus Angst, er könnte nach so vielen Jahren doch noch um seinen Erben kommen.
Anstatt etwas zu sagen, sah er also diesen Dummkopf Claes nur lächelnd an und war sich bewußt, was für ein Bild er und Katelina abgeben mußten, wie sie da so nahe beieinander standen, einem Liebespaar in einem Stundenbuch gleich. Dann ließ er seinen Blick gemächlich über die plumpe Gestalt der Ehefrau des Kerls wandern, die immer noch mit unverhüllt ängstlicher Miene ein paar Schritte zurück stand. Er lachte, verneigte sich spöttisch und führte seine Frau weg. Katelina ließ die geraffte Schleppe fallen, die hinter ihr zurückblieb, während sie ausschritt, so daß der Stoff sich um ihren geschwollenen Leib preßte. Den Leib einer Frau, die im fünften Monat schwanger war.
Es zerstörte das romantische Bild, das er geschaffen hatte. Im ersten Augenblick war er verärgert über ihre Achtlosigkeit. Dann erkannte er, daß es nicht Achtlosigkeit war, sondern Verachtung. Sie spiegelte sich in ihrem Gesicht. Und der Kerl, der mit seiner Ehefrau zurückblieb, sah aus wie vor den Kopf geschlagen.
Simon wandte sich seiner Katelina zu, hob seine wohlgeformte Hand und strich zärtlich über ihren Leib. Dann schaute er über die Schulter zurück, bemüht, Geringschätzung und Triumph zu zeigen. Der Blick des Narren hinter ihm war höchste Genugtuung.
Im allgemeinen mochte er es nicht, wenn er eine Gesellschaft vor der Zeit verlassen mußte, weil es Katelina nicht gutging. Diesmal aber sah er angesichts des offenkundigen Unmuts Gruuthuses und einiger anderer ein, daß es klüger war, zu gehen und sich in den folgenden ein, zwei Tagen eine angemessene Entschuldigung zu überlegen. Er neigte zum Jähzorn und hatte für Dummköpfe nichts übrig, schon gar nicht, wenn er etwas getrunken hatte. Immer war jemand verärgert oder beleidigt, aber gewöhnlich brachte sein Verwalter die Sache wieder in Ordnung, wenn nicht er selbst den Betreffenden einlud und ihm kräftig schmeichelte oder, wie bei Gruuthuse, ein hübsches Geschenk mit einem reuevollen Briefchen schickte. Selbstbeherrschung war etwas für Frauen.
Meistens half bei Katelinas Verstimmungen frische Luft, diesmal jedoch zitterte sie selbst im Haus de Veere noch. Er wollte ihre Dienerin holen, aber sie ließ ihn nicht gehen. »Was hast du gemeint, als du vom Haus Charetty gesprochen hast? Von einem zweiten Brand.«
Simon lächelte. Er hatte nicht gewußt, daß sie zugehört hatte.
»Hast du sein Gesicht gesehen? Ich dachte mir, daß ihm das angst machen würde.«
Sie saß mit Kissen im Rücken in dem hohen Lehnstuhl im Schlafzimmer, zu dem er sie geführt hatte. »Dann hast du es also nicht ernst gemeint?«
Er verstand nicht, was sie da redete. Er holte einen Krug Wein und schenkte sich ein. »Nun, ich werde ihnen wahrscheinlich keine günstigen Geschäfte vermitteln. Das heißt, es kommt darauf an. Es kommt ganz darauf an, wie er sich verhält. Aber warum? Was ist daran so
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