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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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der Arzt. Er ist jetzt entlarvt, vor uns jedenfalls. Wie wird das sein Handeln in Zukunft beeinflussen? Habt Ihr jetzt mehr oder weniger Vertrauen?«
    Tobias schwieg lange. »Ich weiß nicht«, sagte er dann. »An meinem Empfinden hat sich eigentlich nichts geändert. Ich glaube fest, daß ich es schaffen werde, ihm stets einen Schritt voraus zu sein. Auf jeden Fall bin ich neugierig genug, um es zu versuchen.«
    »Hier?« fragte Julius. »Glaubt Ihr, er bleibt hier?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Tobias. »Sicher nicht, wenn Venedig ins Spiel kommt. Würdet Ihr in ein fremdes Land gehen? Goro? Julius?«
    »Ich hätte nichts dagegen«, meinte Gregorio. »Aber die Demoiselle würde hier jemanden brauchen. Außerdem dachte ich, Ihr und Julius wolltet nächstes Jahr ohnehin zu Astorre zurückkehren. Dort wärt Ihr vor Simon sicher.«
    »Aber Nicholas ist es nicht, wenn er in Brügge bleibt«, entgegnete Tobias. »Ich würde gern wissen, was er eigentlich will. Was er jetzt denkt.«
    »Wo er wohl ist?« fragte Julius mit gekrauster Stirn. »Der Vogel Strauß, meine ich.«
    »Wieso?« rief Tobias.
    »Nun ja, er sagte etwas davon, daß er sich den Strauß ansehen wolle. Er soll an den Herzog von Mailand versandt werden, und Tommaso jammert dauernd, daß er ihm unter den Händen wegstirbt,«
    »Typisch Nicholas«, stellte Gregorio fest. »Wenn er es nicht über sich bringt, uns ins Gesicht zu sehen, sieht er sich einen Vogel Strauß an.«
    Nicholas war tatsächlich unterwegs zu dem Vogel Strauß.
    Eigentlich nur, weil er nicht wußte, wohin sonst.
    Wenn man das Problem in Brügge lassen und nicht über seine Grenzen hinaustragen wollte, konnte er dort nirgends sicher sein, Tobias, Gregorio und Julius nicht zu begegnen, die nun Kenntnisse über ihn besaßen, die sie nie hätten haben sollen. Er konnte nicht heimkehren, ohne Marian gegenüberzutreten, die jetzt von seinen … Ränkespielen wußte und irgendwie versuchte, ihm trotzdem weiter zu vertrauen.
    Und sonst gab es in Brügge nur Leute, die gesehen oder gehört hatten, was sich am Morgen im Haus der Gruuthuse abgespielt hatte. Oder die über Jaak de Fleury, Lionetto oder Felix reden wollten. Und schließlich hielten sich irgendwo in Brügge Simon von Kilmirren und seine fruchtbare Ehefrau Katelina auf, deren Stimmung er sich vorstellen konnte, ohne jedoch ihre Pläne zu kennen.
    So kam ihm der rettende Gedanke an den Vogel Strauß, der angeblich irgendwo in den Stallungen des Hauses der Florentiner Kaufmannschaft gehalten wurde, und er machte sich auf zu seiner Besichtigung. Dort würde er keinen der Charetty-Leute antreffen, und Florentiner hatten an der Totenfeier für einen schottischen König kaum teilgenommen. Denen waren die Flandern-Galeeren weit wichtiger.
    Und da sie die Geschäfte mit den Flandern-Galeeren im Kopf hatten, würde er sich vielleicht nicht mit Geheimschriften, Briefen und lockenden, gefährlichen Wegen beschäftigen müssen, die nur zu neuen listigen Plänen führten oder alte neu belebten. Sondern einzig mit einem schlichten Vogel Strauß, der nach Mailand sollte.
    Noch ehe er das ansehnliche turmbewehrte Haus in der Nähe der Börse betreten hatte, lief ihm Angelo Tani über den Weg. »Ich muß zu einer Besprechung, aber geht ruhig hinein. Tommaso ist irgendwo in der Nähe. Für Euch ist eine Nachricht da - warum hier, weiß ich nicht. Ein Bote hat sie gebracht. Ihr werdet heute nachmittag in der Zilverstraat erwartet, im Haus Florens von Borselens.«
    »Ich dachte, er sei verreist«, sagte Nicholas.
    »Das ist richtig. Seine Tochter Katelina wünscht Euch zu sehen. Vielleicht Vorhänge für die Niederkunft. Sie haben schon Silber für die Taufe bei mir gekauft. Und sie zahlen prompt.«
    »Das ist wahr«, sagte Nicholas. Er schaute dem davoneilenden Tani nach, bis ein vielleicht vierzehnjähriger Junge, ein giovane, ihn höflich ansprach. »Wenn Ihr Messer Tommaso sucht, der ist in den Stallungen.«
    Die Worte enthielten noch etwas anderes als Höflichkeit. Beim zweiten Hinsehen erkannte Nicholas den Jungen, mit dem er und Felix gesprochen hatten, als sie das Boot der Medici mit Astorre nach Damme steuerten. »Du hältst hier die ganze Niederlassung zusammen, wie ich höre«, sagte er. »Was treibt denn Messer Tommaso? Will er verreisen?«
    Der Junge wurde etwas zugänglicher. Es war deutlich zu spüren, daß die Brügger Niederlassung des Hauses Medici unter dem strengen Regiment des mailändischen Geschäftsführers Pigello stand.

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