Niccolòs Aufstieg
möglich, daß nicht alle von dieser überstürzten Heirat gehört hatten. Jedenfalls waren ihm einige neugierige Blicke aufgefallen, darunter der eines Augenpaars, das er zu kennen meinte, ohne auf Anhieb sagen zu können, wem es gehörte.
Er unterließ es, Katelina zu ermahnen, die auf der unbequemen Bank kaum ruhig sitzen konnte. Aber er sehnte den Moment herbei, da das Kind geboren und ihr Körper nicht mehr so schwerfällig sein würde. Er erinnerte sich ihres Busens, wie er gewesen war. Drüben im Seitenschiff saß ein Mädchen, das ihm beim Hereinkommen zugelächelt hatte. Sie hatte solche Brüste, rund und prall, unter dem Stoff ihres florentinischen Gewands. Simon lächelte leutselig zu ihr hinüber und tätschelte Katelina, die sich schon wieder anders setzte, die Hand.
Als die Gemeinde sich später schleppend hinausschob, hatte er Zeit, sich über das Haar zu streichen und seinem Hut den richtigen Sitz zu geben, während Katelina ihren Schleier wieder herabzog. Dann gingen sie im Sonnenschein über den Kirchhof und betraten zusammen mit den anderen vornehmen Gästen das Haus der Familie Gruuthuse.
Ludwig von Gruuthuse begrüßte sie an der Tür. Er trat auf wie ein Herzog, aber die faltigen Wangen, die schweren Augenlider unter den Stirnfransen waren das Erbe einer langen Linie wohlhabender Brügger und Brabanter Bürger. Gruuthuse, Höfling, Politiker und Geschäftsmann, war im Begriff, selbst nach Schottland zu reisen, um dem neuen König Jakob III., der noch ein Kind war, die Grüße Herzog Philipps zu überbringen. Er und seine Familie kannten jeden der schottischen Gäste. Auch Guildolf hatte sich offenbar verheiratet. Das Lächeln seiner jungen Frau, die vor Katelina knickste, empfand Simon als unverschämt. Es erinnerte ihn an seine Schwägerin Gelis, die zum Glück nach Hause gegangen war.
Sie durchquerten die geflieste Vorhalle und gingen eine von Dienern flankierte Treppe hinauf. Die Fenster waren beeindruckend, ebenso das Holzwerk und die offenen Kamine. Ein Raum, an dem sie vorüberkamen, sah aus wie eine Bibliothek. Überall das Wappen der Gruuthuse und überall Schotten. Kaufleute, dicke und dünne, und ihre Gastwirte und Geschäftsvermittler. Jehan Metteneye und seine Frau. John of Kinloch, dieser Narr. Wylie, der Erzdiakon von Brechin, Nick Losschaert mit Verwandten aus dem schottischen Zweig der Familie und die Bonkies von diesseits und jenseits des Wassers. Anselm Adorne mit seiner Frau und den älteren Kindern ebenso wie seine Schwester mit ihrem Mann Daniel Sersanders aus Gent und ihrem Sohn Anselm. Napier aus Merchiston. Stephen Angus, Forrester aus Corstorphine. Und diverse Schotten, die gerade aus Bourges kamen, von den französischen Beratungen über Dänemark, Spanien und die bretonische Mitgift: Monypenny natürlich; und Flockhart zusammen mit zwei Volkarts von der flämischen Seite.
Sie alle hatten mit angemessenem Ernst den Feiern zu Ehren ihres verstorbenen Königs beigewohnt und würden danach zweifellos nichts Eiligeres zu tun haben, als sich in Schottland in den nächsten Machtkampf zu stürzen. Eine flämische Königinwitwe, auf dem Thron ein Achtjähriger und dazu der Krieg zwischen den Häusern Lancaster und York, der England in ein Schlachtfeld verwandelt hatte - daraus mußte sich doch Kapital schlagen lassen, wenn man seine Karten richtig ausspielte. Man brauchte sich nur ein paar gute Mitspieler zu suchen.
Simon fand seine Landsleute wenig interessant. Er unterhielt sich eine Weile mit dem Sekretär der Herzogin, seinem Schwager, der Katelina zu ihrem Aussehen beglückwünschte, jedoch nicht zu ihrer Fruchtbarkeit. Señor João stellte der jungen Frau einige andere Damen vor und erbot sich auf Simons Wunsch, diesen mit dem Kommodore der Flandern-Galeeren, Piero Zorzi, bekannt zu machen.
Simons Stimmung hellte sich auf. Er hatte Geschäfte mit dem Kommodore, einem kleinen, umgänglichen Mann in einem Prachtgewand in Aschgrau und Silber. Durch das Gedränge beobachtete er, daß Gruuthuse ihn gerade einem hochgewachsenen Mann und seiner Frau auf der anderen Seite des Saals zuführte.
Die Frau konnte Simon nicht gleich einordnen, aber so tief in Trauer mußte sie Schottin sein. Auch der Mann trug dunkle Kleidung, sehr schlicht geschnitten und schmucklos, doch sein Gürtel war unverkennbar ein teures Stück und sein Rock aus gutem Tuch. Lebhaftes Interesse spiegelte sich auf seinem dem Venezianer zugewandten Gesicht, und als er plötzlich lächelte, zeigte sich in
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