Niceville
wahrscheinlich
zusammen mit den anderen Rechnungen aus dem entsprechenden Jahr. Er hebt immer
alles sorgfältig auf, für den Fall einer Steuerprüfung.«
»Und sind diese Schachteln hier im Haus?«, fragte Danziger.
»Ja«, sagte der alte Mann. »Im Keller.«
Coker seufzte und sah Twyla an. Die beiden gingen wieder hinaus,
diesmal in den Keller.
Danziger machte weiter.
»Erinnern Sie sich an diese Überprüfung, Morgan?«
Littlebasket schwieg eine Weile, seine glasigen, geröteten Augen
blickten ins Leere.
»Jung und mittelgroß, schwarzes Haar. Ein Weißer mit blasser Haut.
Er sah nicht besonders gut aus, aber nicht hinterhältig. Durchschnittlich. Er
hat sich das ganze Haus angesehen. Das hat mehrere Stunden gedauert –
Erdgeschoss, Keller, Dachboden. Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen … Diese
Leute sind doch vereidigt oder so, nicht? Ich wäre nie darauf gekommen. Er
hatte einen seltsamen Namen. Kurz. Hat mich an ein Bier erinnert.«
»Coors? Schlitz? Beck’s?«
»Ja, so was Kurzes, vielleicht … Beck’s. Aber ich bin nicht sicher.
Ich kann im Augenblick nicht klar denken. Sind Sie Polizist?«
»Ja. Aber gegen Sie wird nicht ermittelt.«
»Das ist es nicht. Gibt es nach Ihrer Erfahrung eine Möglichkeit,
dass sie mir je verzeiht?«
Danziger sah den erbärmlichen alten Mann an, sah sein verzweifeltes
Bedürfnis nach Trost, Mitgefühl, Hoffnung auf Erlösung, nach irgendetwas, wie
klein es auch sein mochte, das den Schmerz und die brennende Scham lindern
würde.
»Keine Chance, Sie jämmerlicher Scheißkerl«, sagte Danziger. »Ich an
Ihrer Stelle würde mir die Kugel geben.«
Der Rest war Schweigen, unterbrochen nur von Littlebaskets
pfeifendem Atem. Twyla und Coker kehrten zurück. Coker hatte ein zerknittertes
Blatt Papier mit dem NUC -Logo in der Hand, darauf standen
Zahlen und am Fußende eine Unterschrift.
»Bock«, sagte Littlebasket, als Coker die Rechnung vorlas. »Ja, so hieß er. Er
sagte, sein Name sei Tony. Ein netter junger Mann. Sie denken doch nicht, dass
er –«
»Ich weiß es nicht«, sagte Danziger und zog sein Handy hervor. »Aber
wir werden ihn bestimmt fragen.«
Nick geht den Dingen auf den Grund
Nick stand mit dem Rücken zum Wintergarten auf dem Rasen
und starrte auf die Fichten, wo Kate die junge Frau mit dem blutbefleckten
Kleid gesehen hatte, doch daran dachte er gar nicht.
Er hörte zu.
Er hörte einem Detective der Polizei von Lexington, Virginia, zu.
Der Mann hieß Linus Calder, war älter als Nick und hatte eine ruhige, etwas
raue Baritonstimme, und Nick versuchte ihn sich vorzustellen: Er stand auf der
Schwelle von Dillon Walkers Büro in der Preston Library des Virginia Military
Institute und beschrieb Nick, was er sah.
Kate, Beau und Lemon Featherlight waren im Wintergarten und
beobachteten Nick, der, das Handy am Ohr, im Dämmerlicht in Kates Garten stand.
Sein ganzer Körper war angespannt wie eine Klaviersaite, das war deutlich zu
sehen, und doch hielt er sich ganz reglos, und sein Geist war weit entfernt, in
Virginia, und sah mit den Augen eines anderen.
»Keine Anzeichen eines Kampfes, Detective Kavanaugh. Alles ist an
seinem Platz, nichts ist zerbrochen. Auf dem Schreibtisch Papiere mit einem
Briefbeschwerer in Form einer Kanone, das Fenster steht offen, aber es geht auf
den Exerzierplatz und ist im dritten Stock. Nach dem, was die Putzfrauen sagen,
arbeitet er immer allein hier – samstags nachmittags haben die Kadetten
Training, da ist die Bibliothek geschlossen.«
»Und seine Wohnung?«
»Da bin ich schon gewesen. Laut seiner Haushälterin ist alles okay.
Ich meine, es gibt keinen Hinweis darauf, dass hier irgendwas nicht in Ordnung –«
»Außer, dass er verschwunden ist und niemand weiß, wo er sein
könnte.«
»Tja, was soll ich sagen, Detective Kav –«
»Nennen Sie mich Nick.«
»Okay. Nick. Ich heiße Linus. Also, was soll ich sagen? Der Mann ist
vierundsiebzig, ein Professor, er lebt allein, er macht einen ausgedehnten
Spaziergang, dazu muss er sich ja nicht abmelden. Um ehrlich zu sein: Der
einzige Grund, warum wir dieses Gespräch führen, ist, dass Sie Polizist sind
und ich Polizist bin. Und Ihre Frau ist eine sehr überzeugende Person, und
jetzt kommt auch noch ihr Bruder, der ebenfalls Polizist ist, wie heißt er noch …«
»Reed Walker. Er fährt einen Verfolgungswagen der State Patrol.«
»Ich weiß nur, dass er in seinem Dienstwagen hierher unterwegs ist
und mich schon viermal angerufen hat, um mir zu sagen,
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