Nicholas Flame Bd. 1 Der Unsterbliche Alchemyst
weiter und die Zwillinge hielten Schritt mit ihm. »Dee erfuhr von dem Codex, als er mein Lehrling in Paris war. Ich erwischte ihn dabei, wie er ihn stehlen wollte. Da wusste ich, dass er sich mit den Dunklen Älteren verbündet hatte. Ich weigerte mich, ihn in die Geheimnisse des Codex einzuweihen, und es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung. In dieser Nacht schickte er Perenelle und mir zum ersten Mal Mörder auf den Hals. Es waren Menschen und wir wurden leicht mit ihnen fertig. In der nächsten Nacht waren die Mörder deutlich weniger menschlich. Da nahmen Perenelle und ich das Buch, packten unsere paar Habseligkeiten zusammen und flohen aus Paris. Seither verfolgt er uns.«
An einer roten Ampel blieben sie stehen. Drei englische Touristen warteten ebenfalls darauf, dass es grün wurde, und Flamel schwieg. Ein kurzer, warnender Blick sagte Josh und Sophie, dass auch sie still sein sollten. Die Ampel wechselte zu grün, die Touristen gingen nach rechts, Nicholas Flamel und die Zwillinge nach links.
»Wohin seid ihr von Paris aus gegangen?«, fragte Josh.
»London«, antwortete Flamel kurz angebunden. Dann fuhr er fort: »Dort hat Dee uns 1666 fast erwischt. Er ließ einen Feuergeist auf uns los, ein wildes, hirnloses Wesen, das fast die ganze Stadt verschlang. In den Geschichtsbüchern wird das Ereignis ›Das große Feuer‹ genannt.«
Sophie schaute zu Josh hinüber. Von dem großen Feuer von London hatten sie beide im Geschichtsunterricht gehört. Es wunderte Sophie, dass sie so ruhig war. Da ging sie durch San Francisco und hörte einem Mann zu, der behauptete, über sechshundert Jahre alt zu sein, und der von historischen Ereignissen berichtete, als sei er dabei gewesen. Und sie glaubte ihm!
»Dee kam uns 1763 in Paris noch einmal gefährlich nah«, erzählte Flamel weiter. »Und 1835 in Rom, wo wir zufällig auch als Buchhändler arbeiteten. Da hätte er uns fast geschnappt. Buchhändler war immer mein Lieblingsberuf«, fügte er hinzu.
Flamel schwieg wieder, als sie sich einer Gruppe japanischer Touristen näherten, die aufmerksam ihrem Fremdenführer zuhörten, der einen leuchtend gelben Schirm über seinen Kopf hielt. Als sie außer Hörweite waren, berichtete Flamel weiter von Ereignissen, die mehr als eineinhalb Jahrhunderte zurücklagen, in seiner Erinnerung aber offenbar immer noch ganz frisch waren und immer noch schmerzten. »Wir flohen nach Irland, weil wir dachten, auf dieser Insel am Rand Europas würde er uns nie finden. Doch er folgte uns. Zu der Zeit hatte er bereits die Dämonen unter seine Kontrolle gebracht und hatte zwei davon bei sich: einen Krankheitsdämon und einen Hungerdämon, die er beide auf uns ansetzen wollte. Irgendwann entglitten sie ihm. Hunger und Krankheit kamen über das arme Land. Eine Million Menschen starben während der großen Hungersnot in den Vierzigerjahren des 19. Jahrhunderts in Irland.« Nicholas Flamels Gesicht wurde zu einer starren Maske. »Ich bezweifle, dass Dee sich jemals die Zeit genommen und darüber nachgedacht hat. Für die Menschen empfand er noch nie etwas anderes als Verachtung.«
Sophie schaute wieder verstohlen zu ihrem Bruder hinüber. An seinem Gesichtsausdruck sah sie, dass er sich mächtig konzentrierte, um den Schwall an Informationen aufnehmen zu können. Sie wusste, dass er am liebsten sofort online gegangen wäre und Einzelheiten davon überprüft hätte. »Aber gekriegt hat er euch bisher nicht«, sagte sie zu Flamel.
»Bis heute.« Er zuckte mit den Schultern und lächelte traurig. »Es musste so kommen, denke ich. Das gesamte zwanzigste Jahrhundert über kam er uns immer näher. Er wurde immer mächtiger, brachte die Erkenntnisse uralter Magie und moderner Technologie zusammen. Perenelle und ich versteckten uns lange Zeit in Neufundland, bis er Werwölfe auf unsere Spur setzte. Dann zogen wir von Stadt zu Stadt. 1901 begann unsere Flucht in New York und von dort aus ging es immer weiter nach Westen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er uns einholte«, fügte er hinzu. »Kameras, Videos, Telefone und das Internet machen es heutzutage sehr viel schwerer, unentdeckt zu bleiben.«
»Dieses Buch … Dieser Codex, hinter dem er her war …«, begann Josh.
»Abrahams Buch der Magie«, half Flamel aus.
»Was ist das Besondere daran?«
Nicholas blieb so plötzlich mitten auf dem Bürgersteig stehen, dass die Zwillinge es erst nach ein paar Schritten merkten und sich dann zu ihm umdrehten. Der ziemlich gewöhnlich
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