Nicholas Flame Bd. 1 Der Unsterbliche Alchemyst
gegessen. Jetzt ist sie wieder in Ordnung.« Sophie spürte, wie sich in den feinen Härchen in ihrem Nacken Schweißperlen sammelten. Sie log ihre Mutter nur ungern an, auch wenn die so sehr in ihrer Arbeit aufging, dass sie sich ohnehin nie die Mühe machte, etwas nachzuprüfen.
Joshs und Sophies Eltern waren als Archäologen weltweit bekannt. Sie hatten in ihrer Fachwelt einen exzellenten Ruf und waren unter den Ersten gewesen, die in Indonesien die Existenz der neuen Spezies kleiner Hominiden nachweisen konnten, die heute allgemein Hobbits genannt werden. Josh sagte immer, seine Eltern lebten in der Vergangenheit, und zwar am liebsten vor fünf Millionen Jahren, und seien nur glücklich, wenn sie bis zu den Knöcheln im Dreck stünden. Die Zwillinge wussten, dass sie bedingungslos geliebt wurden, aber sie wussten auch, dass ihre Eltern sie ganz einfach nicht verstanden. So wie sie überhaupt den modernen Alltag an sich nicht verstanden.
»Mr Fleming fährt mit Perry in ihr Haus in der Wüste, und sie haben uns gefragt, ob wir uns nicht eine kleine Pause gönnen und mitkommen wollen. Wir sagten natürlich, dass wir zuerst euch fragen müssen. – Ja, mit Tante Agnes haben wir schon geredet. Ihr ist es recht, solange es für euch okay ist. Sag ja, Mom, bitte!«
Sie schaute ihren Bruder an und kreuzte die Finger. Er tat dasselbe. Sie hatten lange darüber diskutiert, was sie ihrer Tante und ihrer Mutter sagen sollten, aber was sie tun würden, falls ihre Mutter nicht zustimmte, wussten sie noch nicht.
Sophie gab ihrem Bruder mit hochgerecktem Daumen das Okay-Zeichen. »Ja, im Café würde ich freibekommen. – Nein, wir fallen ihnen bestimmt nicht auf die Nerven. – Ja, Mom. – Ja, ich dich auch. Und sag liebe Grüße an Dad.« Sophie lauschte in den Hörer und drehte das Handy dann von ihrem Mund weg. »Dad hat ein Dutzend fast unversehrte Pseudoarctolepis sharpi gefunden«, berichtete sie. Josh schaute sie verständnislos an. »Ein sehr seltenes kambrisches Krustentier.«
Ihr Bruder nickte. »Sag Dad, dass das absolut super ist. Wir melden uns wieder«, rief er.
Sophie beendete das Gespräch rasch mit einem »Ich hab dich lieb«. Kaum hatte sie das Handy zugeklappt, sagte sie: »Ich hasse es, wenn ich sie anlügen muss.«
»Ich weiß. Aber die Wahrheit konntest du ihr schlecht sagen, oder?«
Sophie zuckte mit den Schultern. »Wohl eher nicht.«
Josh drehte sich wieder zum Spülbecken um. Sein Laptop balancierte auf der Abtropffläche neben dem Handy. Das Handy brauchte er, um online gehen zu können, denn das Dojo hatte weder einen Telefonanschluss noch Internetzugang. Etwas, das Josh kaum fassen konnte.
Scatty lebte über dem Dojo in einer kleinen Zweizimmerwohnung mit der Küche am einen Ende des Flurs und dem Schlafzimmer mit einem winzigen Bad am anderen Ende. Eine kleine Galerie, die über dem darunterliegenden Dojo entlangführte, verband die beiden Zimmer. Die Zwillinge hielten sich in der Küche auf, während Flamel Scatty im Schlafzimmer am anderen Ende des Flurs auf den neuesten Stand der Dinge brachte.
»Was hältst du von ihr?«, fragte Josh beiläufig, während er sich auf seinen Computer konzentrierte. Er hatte es endlich geschafft, ins Internet zu kommen, aber es dauerte unfassbar lang, bis eine Verbindung hergestellt war. Er rief Alta Vista auf und versuchte es mit verschiedenen Schreibweisen von Scathach, bevor er sie mit der richtigen endlich fand. »Da ist sie: siebenundzwanzigtausend Einträge für Scathach, die Schattenhafte«, sagte er und fügte lässig hinzu: »Ich finde sie cool.«
Der allzu lässige Tonfall machte Sophie sofort stutzig. Sie grinste und zog die Augenbrauen hoch. »Wen? Oh, du meinst die zweitausend Jahre alte Kriegerin. Findest du nicht, dass sie ein bisschen zu alt für dich ist?«
Josh wurde knallrot. »Ich versuch’s mal bei Google«, murmelte er und ließ die Finger über die Tastatur tanzen. »Hier sind es über sechsundvierzigtausend Einträge«, sagte er. »Sieht so aus, als ob es sie tatsächlich geben würde. Dann wollen wir mal schauen, was Wiki über sie weiß.« Als von Sophie keine Reaktion kam, drehte er sich zu ihr um und stellte fest, dass sie wie gebannt aus dem Fenster starrte.
Auf dem Dach des Hauses auf der anderen Straßenseite stand eine Ratte und schaute zu ihnen herüber. Während sie sie beobachteten, kam eine zweite und dann eine dritte dazu.
»Sie sind hier«, flüsterte Sophie.
Dee konzentrierte sich darauf, sein
Weitere Kostenlose Bücher