Nicholas Flame Bd. 1 Der Unsterbliche Alchemyst
Schüssel auf den Knien, in die er eine Dose Limonade gegossen hatte – eine andere Flüssigkeit hatte er gerade nicht zur Hand gehabt. Er arbeitete am liebsten mit klarem Wasser, aber eigentlich ging es mit jeder Flüssigkeit. Er beugte sich über die Schale, starrte in die Limonade und ließ etwas von seiner Aura-Energie von seinen Fingern auf die Oberfläche tröpfeln, während er die Eingangsworte zu dem Spähzauber murmelte.
Einen Augenblick lang war nur sein eigenes Spiegelbild zu sehen, doch dann schlug die Limonade plötzlich Wellen und blubberte. Nachdem sich alles wieder beruhigt hatte, war nicht mehr Dees Gesicht in der Schale zu sehen, sondern ein seltsam flaches Bild in rotgrauen und grünlich schwarzen Tönen. Der Blickwinkel lag nahe am Boden, alles bewegte und veränderte sich in schwindelerregendem Tempo.
»Ratten«, knurrte Dee und verzog voller Abscheu das Gesicht. Er hasste es, wenn er mit den Augen von Ratten sehen musste.
»Ich kann immer noch nicht glauben, dass du sie hier hergebracht hast«, sagte Scatty, während sie Kleider in einen Rucksack stopfte.
Nicholas Flamel stand mit vor der Brust verschränkten Armen in der Tür zu Scattys winzigem Schlafzimmer. »Alles ging so schnell. Dass Dee den Codex hat, ist schlimm genug, aber als ich erfuhr, dass Seiten fehlen, wusste ich, dass die Zwillinge in großer Gefahr sind.«
Als das Wort »Zwillinge« fiel, schaute Scatty auf. »Sie sind der eigentliche Grund, weshalb du hier bist, habe ich recht?«
Flamel hatte an der Wand plötzlich etwas sehr Faszinierendes entdeckt.
Scatty ging durch den kleinen Raum, schaute den Flur hinauf und hinunter, um sich zu vergewissern, dass Sophie und Josh immer noch in der Küche waren, zog dann Flamel ins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter ihm.
»Du hast doch irgendetwas im Sinn. Was ist es?«, wollte sie wissen. »Hier geht es um mehr als nur um den Verlust des Codex. Du wärst mit Dee und seinen Speichelleckern doch auch allein fertig geworden.«
»Sei dir da mal nicht so sicher. Mein letzter Kampf liegt lange zurück, Scathach«, sagte Flamel leise. »Alles, was ich auf dem Gebiet der Alchemie jetzt noch mache, ist, ein wenig von dem Lebenselixier zu brauen, das Perenelle und mich jung erhält. Gelegentlich mache ich auch noch ein bisschen Gold oder mal einen Edelstein, wenn wir Geld brauchen.«
Scatty lachte kurz und freudlos und machte sich wieder ans Packen. Sie trug inzwischen ein Paar schwarze Combat-Pants, Magnum-Stiefel mit Stahlspitzen und ein schwarzes T-Shirt, über das sie eine schwarze Weste mit unzähligen Taschen und Reißverschlüssen gezogen hatte. Sie stopfte ein zweites Paar Hosen in den Rucksack, fand eine Socke und machte sich unter dem Bett auf die Suche nach der zweiten.
»Nicholas Flamel«, begann sie, »du bist der mächtigste Alchemyst auf dieser Welt.« Ihre Stimme klang unter dem Bett etwas gedämpft. »Weißt du noch, wie du an meiner Seite gegen den Dämon Fomor gekämpft hast? Und du warst derjenige, der mich aus dem Verlies von An Chaor-Thanach gerettet hat, und nicht ich dich.« Sie kam mit der gesuchten Socke unter dem Bett hervor. »Als die Rusalka St. Petersburg terrorisierten, hast du sie ganz allein zurückgetrieben, und als Black Annis in Manitoba wütete, habe ich gesehen, wie du sie bezwungen hast. Du allein hast die Nachthexe und ihre Armee der Untoten bezwungen. Mehr als ein halbes Jahrtausend hast du den Codex studiert, keiner kennt die Geschichten und Legenden darin besser als du -«
Scatty hielt plötzlich inne, riss die grünen Augen auf und zog scharf die Luft ein. »Das ist es«, sagte sie. »Es hat etwas mit den Legenden zu tun …«
Flamel streckte die Hand aus und legte seinen Zeigefinger auf Scattys Lippen, damit sie nicht weitersprach. Ein geheimnisvolles Lächeln lag auf seinem Gesicht. »Vertraust du mir?«, fragte er schließlich.
Die Antwort kam prompt. »Unbedingt.«
»Dann beweis es. Ich möchte, dass du die Zwillinge beschützt. Und sie ausbildest«, fügte er hinzu.
»Sie ausbilden? Weißt du, worum du mich da bittest?«
Flamel nickte. »Ich möchte, dass du sie auf das vorbereitest, was kommt.«
»Und was ist das?«
»Ich habe keine Ahnung.« Flamel lächelte. »Ich weiß nur, dass es etwas Schlimmes ist.«
»Uns geht es prima, Mom, ehrlich.« Sophie Newman kippte das Handy etwas zur Seite, damit ihr Bruder mithören konnte. »Ja, Perry Fleming ging es nicht gut. Sie hat wahrscheinlich etwas Falsches
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