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Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin

Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin

Titel: Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Scott
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mühsam hoch, streckte die Hand aus und berührte vorsichtig, ganz vorsichtig die silbernen Tropfen mit dem Zeigefinger. Sie verformten sich und schlingerten wie Bleikügelchen über seinen Fingernagel. In höchster Konzentration rollte er sie zwischen Zeigefinger und Daumen der anderen Hand hin und her. Als er wieder aufsah, waren alle Verwirrtheit und Zweifel aus seinem Blick verschwunden. »Weißt du, wie lange es her ist, seit jemand eine Träne um König Gilgamesch geweint hat?« Seine Stimme klang fest und befehlsgewohnt, und er sprach mit kaum merklichem Akzent, als er seinen Namen und Titel nannte. »Es war vor einer Ewigkeit, in jener Zeit vor der Zeit, in der Zeit, bevor alle Geschichte begann.« Die silbernen Tropfen rollten in seine Handfläche und er schloss die Finger zur Faust. »Damals lebte ein Mädchen, das silberne Tränen vergoss. Es weinte um einen Landesfürsten, um mich und um die Welt, die es im Begriff war zu zerstören.« Er sah mit seinen großen blauen Augen zu Sophie auf. »Mädchen, warum weinst du um mich?«
    Sophie konnte nicht sprechen und schüttelte nur den Kopf. Josh legte den Arm um sie.
    Gilgamesch ließ nicht locker. »Sag es mir.«
Sie schluckte.
    »Bitte, ich möchte es gerne wissen.«
    Sophie holte stockend Atem und antwortete kaum hörbar: »Ich trage die Erinnerungen der Hexe von Endor in mir. Ich bemühe mich, ihre Gedanken fernzuhalten und zu ignorieren … Und dann kommst du und versuchst, dich an dein eigenes Leben zu erinnern, und schreibst deine Gedanken auf, damit du sie nicht vergisst. Mir ist ganz plötzlich klar geworden, wie es sein muss, nichts mehr zu wissen, sich nicht mehr zu erinnern .«
    »So geht es mir«, sagte Gilgamesch. »Wir Menschen sind nichts weiter als die Summe unserer Erinnerungen.« Der König lehnte sich an die Tür, die Beine vor sich ausgestreckt. Er blickte auf die Blätter in seinem Schoß, zog einen Bleistiftstummel aus einer Tasche und begann zu schreiben.
    Flamel beugte sich vor, und einen Augenblick sah es so aus, als wolle er dem König die Hand auf die Schulter legen. Doch dann zog er sie wieder zurück und fragte leise: »Woran erinnerst du dich jetzt, Gilgamesch?«
    Der König drückte den Zeigefinger auf die Seite und rieb die Träne ins Papier. »An den Tag, an dem ich jemandem so viel bedeutet habe, dass er eine Träne für mich vergossen hat.«

K APITEL D REIUNDFÜNFZIG
    W eiter geht es nicht.« Palamedes bremste und brachte das Taxi vor der Scheune zum Stehen. Eine Staubwolke stieg von der festgebackenen Erde auf und hing sekundenlang vor den Fenstern. Gilgamesch stieß die Tür auf und trat hinaus in den stillen Morgen. Er wandte das Gesicht der Sonne zu und breitete die Arme aus. Die Zwillinge stiegen ebenfalls aus und zogen gleich die billigen Sonnenbrillen aus der Tasche, die Flamel für sie gekauft hatte.
    Flamel verließ das Taxi als Letzter. Er sah Palamedes an, der bei laufendem Motor immer noch hinter dem Steuer saß. »Du bleibst nicht?«
    »Ich fahre ins nächste Dorf«, erklärte Palamedes, »besorge etwas zu essen und Wasser und versuche herauszufinden, was los ist.« Er sah zum König hinüber und senkte die Stimme. »Sei vorsichtig. Du weißt, wie schnell seine Stimmung umschlagen kann.«
    Flamel drehte den Seitenspiegel so, dass er Gilgamesch und die Zwillinge sehen konnte, die die Scheune mitten auf der Wiese erkundeten. Das alte Bauwerk war teilweise überwuchert. Die Wände bestanden aus dickem schwarzen Fachwerk und Lehm. Das Tor war nicht ganz so alt. Er vermutete, dass es irgendwann im 19. Jahrhundert eingebaut worden war. Jetzt hingen beide Flügel schief in den Angeln, der rechte nur noch an einem einzigen Lederscharnier. Unten waren beide teilweise vermodert und von Tieren angenagt.
    Palamedes blickte über Flamels Schulter. »Der Junge geht zuerst rein.«
    Der Alchemyst nickte wortlos.
    »Bei ihm ist ebenfalls Vorsicht geboten. Du musst ihm das Schwert abnehmen.«
    Flamel verdrehte noch einmal leicht den Spiegel. Er sah, wie Josh Clarent aus der Pappröhre zog und dann in die Scheune schlüpfte. Einen Augenblick später folgte seine Schwester und als Letzter der König. »Er brauchte eine Waffe«, sagte Flamel, »er brauchte etwas, womit er sich verteidigen konnte.«
    »Dumm nur, dass es ausgerechnet diese Waffe war. Es gibt andere Schwerter. Die nicht ganz so gefährlich sind, nicht ganz so … hungrig .«
    »Ich nehme es ihm wieder ab, sobald er einen Zweig der Ele-mente-Magie beherrscht«,

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