Nicholas Flamel Bd. 5 Der schwarze Hexenmeister
hob und noch einmal den Blick freigab auf sein herrliches, friedliches Schattenreich …
… war es verschwunden.
Prometheus stieg wieder in den Jeep und drehte sich zu Perenelle und Nicholas um. »Dann steht das Ende jetzt also kurz bevor? Abraham hat von dieser Zeit gesprochen.«
»Noch ist es nicht so weit, aber bald«, antwortete Perenelle. »Eine Sache müssen wir noch erledigen.«
»Du hast immer gewusst, dass es so enden würden«, sagte Prometheus.
»Ja, immer«, bestätigte sie.
Der Ältere seufzte. »Du hast das zweite Gesicht.«
»Stimmt, aber das allein ist nicht der Grund. Ein paar Dinge hat man mir auch vorhergesagt.« Sie blickte Prometheus an und ihre grünen Augen leuchteten im Dämmerlicht. »Mein armer Nicholas. Er hatte nie wirklich eine Chance. Sein Schicksal stand von dem Augenblick an fest, als der Einhändige ihm den Codex verkaufte. Das Buch veränderte den Lauf seines Lebens – wie auch meines Lebens – und gemeinsam veränderten wir den Lauf der Menschheitsgeschichte. Derselbe Mann, der ihm später das Buch verkaufen sollte, hat mir, als ich noch ein Kind war und Nicholas noch nicht einmal geboren, meine Zukunft und die Zukunft der Welt gezeigt. Keine unumstößliche Zukunft, aber eine mögliche, eine von vielen möglichen. Und im Lauf der Jahre habe ich gesehen, wie viele dieser Möglichkeiten Wirklichkeit wurden. Der Einhändige hat mir gesagt, was geschehen muss, was ich tun muss und was mein zukünftiger Ehemann würde tun müssen, damit die menschliche Rasse überleben könne. Er hat über die Jahrtausende hinweg wie ein Puppenspieler die Fäden gezogen, hat uns angestupst, korrigiert, gelenkt, uns alle. Auf diesen Punkt zu. Auch dich, Prometheus.«
Der Ältere schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht.«
»Auch dich. Wer hat deinen Freund Saint-Germain wohl dazu angestachelt, dir das Feuer zu stehlen, was glaubst du? Und wer hat ihn wohl in die Geheimnisse der Feuermagie eingeführt?«
Prometheus öffnete den Mund, als wollte er etwas erwidern, schloss ihn dann aber wieder, ohne etwas gesagt zu haben.
»Der Mann mit der Hakenhand sagte mir, dass er am Anfang da war und auch am Ende wieder da sein würde.« Perenelle beugte sich vor. »Du warst dort, Prometheus. Du warst während der entscheidenden Schlacht auf Danu Talis. Er behauptet, ebenfalls dort gewesen zu sein – du musst ihn gesehen haben.«
Prometheus schüttelte bedächtig den großen Kopf. »Ich erinnere mich nicht an ihn.« Er lächelte bedauernd. »Der Kristallschädel hat sich meine ältesten und frühesten Erinnerungen genommen. Es tut mir leid, Zauberin, ich habe keinerlei Erinnerung an den Mann mit der Hakenhand.« Sein Lächeln wurde bitter. »Aber schon bevor mir der Schädel mein Gedächtnis genommen hat, gab es, was diesen Tag betrifft, vieles, an das ich mich gar nicht oder nur verschwommen erinnern konnte.«
»Du hast wirklich keine Erinnerung mehr an ihn – strahlend blaue Augen, ein silberner Haken anstelle der linken Hand?«
Wieder schüttelte Prometheus den Kopf. »Tut mir leid. Ich erinnere mich noch an die Gesichter guter Freunde, die ich verloren habe, wenn auch nicht mehr an ihre Namen. Ich erinnere mich an alle, die sich mir in den Weg gestellt haben, und an die, die ich bezwungen habe.« Er runzelte die Stirn. Seine Stimme wurde leiser und schien von weither zu kommen. »Ich erinnere mich an Schreie und Gebrüll, an Kampfgeräusche und Waffengeklirr, an den Gestank uralter Magie. Ich sehe noch das Feuer am Himmel … Und dann wurde die Welt auseinandergerissen und das Meer toste brüllend über sie hinweg.«
»Er war da.«
»Das war die entscheidende Schlacht, Zauberin. Alle waren da.«
Perenelle lehnte sich wieder zurück. »Als ich ihm zum ersten Mal begegnet bin, war ich noch ein Kind. Ich habe ihn nach seinem Namen gefragt. Er sagte, man würde ihn Marethyu nennen«, erzählte sie leise.
»Das ist kein Name. Es ist ein Titel und er bedeutet ›Tod‹. Er kann aber auch ›Mensch‹ bedeuten«, erklärte Prometheus, der den uralten Begriff noch übersetzen konnte.
»Ich dachte, er gehört dem Älteren Geschlecht an …«
Prometheus runzelte erneut die Stirn, als überraschend Erinnerungssplitter auftauchten. Seine Finger schlossen sich fester um die Rückenlehne. »Marethyu«, murmelte er und nickte. »Tod.«
»Erinnerst du dich jetzt an ihn?«
Er schüttelte den Kopf. »Nur ganz verschwommen. Marethyu war keiner von uns. Er gehörte weder dem Älteren Geschlecht noch der
Weitere Kostenlose Bücher