Nicht die Bohne!
dieser wachsenden Zelle gerade den Laufpass gegeben. Dazu habe ich einen echten Traumjob. Gut, zurzeit ist es eher ein 24-Stunden-Hammerjob, aber meine weitere Karriereplanung sieht eindeutig vor, den ultimativen Traumjob allerspätestens in drei Jahren ergattert zu haben. Schließlich habe ich nicht umsonst BWL studiert.
Ich kann jetzt nicht schwanger sein und ein Kind bekommen. Dafür habe ich gar keine Zeit. Das ist völlig ausgeschlossen. Und außerdem: Ich mag keine Kinder!
Ich weine noch ein bisschen und gehe dann unter die Dusche. Am Abend treffe ich mich mit meiner Mädels-Runde, die aus fünf kinder- und männerlosen Frauen besteht. Meine Alkoholenthaltsamkeit erkläre ich meinen Freundinnen mit einer Magenverstimmung. Nur mir selbst gegenüber kann ich sie nicht so recht erklären. Wenn ich doch dieses Kind, sagen wir besser diese Zelle, nicht bekommen werde, könnte ich doch saufen wie eine bengalische Bergziege. Aber der Gedanke an Prosecco und Co. lässt leichte Übelkeit in mir aufsteigen.
Den Rest des Wochenendes verbringe ich in einem Zustand völliger Verwirrung. Ich laufe desorientiert durch meine Wohnung und zähle die Stunden, bis ich endlich meinen Gynäkologen anrufen und ihn mit der erschütternden Tatsache meiner ungewollten Schwangerschaft konfrontieren kann.
Unpassenderweise gratuliert mir die debile Sprechstundenhilfe, die ich am Montagmorgen um acht am Telefon über meinen unfassbaren Zustand in Kenntnis setze, sehr freundlich. Darüber hinaus verweigert sie mir einen sofortigen Termin. Ich solle noch ein wenig abwarten, in der Regel könne man den Herzschlag erst ab der siebten Woche sehen. Wie wäre es mit einem Termin Ende nächster Woche?
»Ich bin schwanger, verdammt«, zische ich in mein Handy und setze zu einem Sprint um die Häuserecke an, als mir ein Pulk Anzugträger entgegenkommt. Nur mit größter Mühe habe ich es überhaupt geschafft, mein Büro Punkt acht zu verlassen, um dieses elementare Telefonat zu führen, und jetzt will die blöde Kuh mich vertrösten. Der Ernst der Lage ist nicht bei ihr angekommen.
Also noch einmal: »Ich bin schwanger. Und ich muss JETZT einen Termin bekommen. Weil ich DRINGEND mit dem Arzt sprechen muss.«
Am anderen Ende herrscht verblüfftes Schweigen. Im Hintergrund klingelt ein Telefon, ich höre Stimmen. Ich schiebe mir die freie Hand in die Achselhöhle, um wenigstens an einem Körperteil keine Erfrierungen davonzutragen. In der Annahme, dass das Telefonat schnell erledigt wäre, habe ich meinen Mantel im Büro gelassen und zittere nun vor Kälte gleichmäßig vor mich hin.
»Ja, … äh …«, sagt die Sprechstundenhilfe schließlich leise. »Das ist eigentlich nicht nötig, aber wenn es soooo dringend ist, können Sie heute Abend gegen sechs kommen. Das kann dann aber etwas dauern, weil ich Sie dazwischenschieben muss.«
»Wunderbar!«, zische ich wieder und drücke hektisch auf Auflegen, dann jage ich zurück in mein Büro.
Mein Chef steht verwirrt vor meinem Schreibtisch und bestaunt den leeren Platz, an dem er sonst immer fleißig und brav seine persönliche Vorstandsassistentin sitzen sieht. Ich schieße an ihm vorbei und lasse mich auf meinen Schreibtischstuhl plumpsen. Dann blicke ich ihn an und nicke.
»Äh, wo waren Sie?«, fragt er und deutet leicht verwirrt auf die Richtung, aus der ich in sein Sichtfeld geschossen kam.
»Ich musste kurz mal weg«, informiere ich ihn sachlich. Meine Mundwinkel sind in einer Wölbung nach oben erstarrt, und ich blicke ihn abwartend an.
»Ich habe hier noch eine Vorstandsvorlage. Die müssten Sie bis heute Abend fertig machen.« Er legt mir ein Blatt Papier auf den Tisch und wendet sich ab, dreht sich aber gleich noch einmal um. »Außerdem könnte ich mal einen Kaffee vertragen.« Vertraulich grient er mich an, bleckt sein gelbes Pferdegebiss und wandert bedächtigen Schrittes zurück in sein Büro.
Punkt 1: Er hätte sich seinen Kaffee gleich mitnehmen können.
Punkt 2: Er hätte sich seinen Kaffee sogar gleich selbst eingießen können. Die Kanne steht auf dem kleinen Tisch direkt vor meinem Schreibtisch.
Punkt 3: Er ist ein lebensunfähiger Arsch. Wenn seine Frau in den Urlaub fährt – und das muss sie hin und wieder, um die Ehe mit ihm ohne Depression zu überleben –, kommt jeden Tag die Putzfrau. Weil er vermutlich noch nicht einmal in der Lage ist, den Kühlschrank alleine zu öffnen, geschweige denn eine Tasse in die Geschirrspülmaschine zu stellen.
Punkt 4: Ich bin
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