Nicht lecker, aber Weltrekord
dann sehr kurz, aber sehr gut überlegt und entschieden, meine Mutter besser nicht zu informieren, dass mein Freund und ich noch gar keinen Herd besaßen. Stattdessen hat mein Vater ein weiteres kleines Quadrat auf ein DIN-A4-Blatt gemalt und meiner Mutter über das Handy meines Freundes mitgeteilt, dass der Herd jetzt per Fax käme, sie könne den ja ausschneiden und in die Küche legen, wohin sie wolle, und dass sie mich anschließend auch auf dem Festnetz anrufen könne, das wäre ja gar nicht mehr warm vom Faxen, wie sie immer meine.
Schon wenige Minuten später meldete sie sich grußlos am Festnetz: »Ihr müsst den Herd ja auch aufmachen können.«
Ich nickte in den Hörer, eine blöde Angewohnheit, die ich von meiner Mutter übernommen habe. Aber laut und deutlich »Ja, das müssen wir wohl« zu sprechen, wenn es um einen Herd ging, der nur auf dem Papier bestand, das brachte ich nicht fertig.
»Und die Spülmaschine muss man ja auch aufmachen«, dachte meine Mutter laut weiter. Sie hatte mein Nicken durchaus gehört, was mir Gelegenheit gab, voll einzusteigen:
»Ja, aufmachen müssen wir die. Geschirr rein, Geschirr raus, Geschirr rein …« Nahezu brillant beschriebich das geschäftige Treiben, das demnächst in unserem Haushalt herrschen sollte.
Meine Mutter ließ sich von der Begeisterung anstecken: »Genau, und dann kannste ja die Waschmaschine in die Ecke stellen und so Platz lassen!«
»Super«, bestätigte ich, beeindruckt von ihrer Pragmatik in solchen Dingen, »dann lasse ich da Platz, wo wir eh keinen Herd haben.«
Meine Mutter fand das auch gut, aber die Männer haben uns die Freude verdorben.
»Wenn die Waschmaschine in die Ecke kommt«, dozierte mein Freund leicht lallend, »dann braucht die Spülmaschine einen mindestens vier Meter langen Abschlussfauch.«
»Abflussauch«, korrigierte mein Vater prostend. Wo eigentlich die Waschmaschine stehen sollte, stand ein halb leerer Kasten Bitburger.
»Flabschlauch!«
»Abflussschlauch!«
»Hihihi! Abflussschlauch auch, ja, und einen Zuflaufschlauch braucht sie auch.«
Mein Freund und mein Vater standen nun dort, wo eigentlich gar nichts stehen sollte, und umarmten sich. »Auch!«, schrien sie.
Das hörte sich nicht gut an. Skeptisch schaute ich in unsere Küche.
»Ich kann mir das so nicht vorstellen, ich muss mir das mit Quadraten vormalen.«
»Gute Idee!«, lobte mein Vater taumelnd. »Ich fahre jetzt mit dem Zug nach Hause zu deiner Mutter undmaile dir von da aus die Skizze. Soll ich dann nächstes Mal, wenn ich das Auto abhole, einen Herd mitbringen? Obwohl, ich kann den auch faxen, aber nicht richtig …«
»Der passt doch gar nicht in die Küche!«, rief mein Freund, der mittlerweile unbemerkt zum Computer gekrochen war, um im Internet nach über vier Meter langen Schläuchen zu googeln. (Manche Menschen wundern sich echt noch, warum ausgerechnet sie immer die versautesten Spam-Mails bekommen – ich nicht mehr.)
Um es kurz zu machen: Wir haben noch immer keinen Herd. Dafür steht jetzt die Spülmaschine dort, wo der Herd stehen sollte. Man kann sie schon auf- und zumachen, aber noch nicht spülen, dazu müsste ja ein über vier Meter langer Schlauch dran, haben die vom ProMarkt gesagt.
»Siehste!«, hat mein Freund gerufen, und ich habe gar nichts mehr gesagt oder gesehen, weil unsere Küche in Wirklichkeit viel kleiner ist als auf dem Fax. Das kann man sich so gar nicht vorstellen.
***
Jahrzehntelang dachte ich, dass sich hinter dem harmlosen Satz: »Nee, lass mich das mal machen, ihr räumt das alle eh immer falsch ein« kein großes Geheimnis verbarg, zumal dieser Satz in ähnlicher Formulierung stets von meiner Mutter geäußert wurde, wenn es um uns, also die Restfamilie, und die zu erledigende Hausarbeit ging. Denn »wir ließen eh immer alles hinterm Hintern liegen«, oder »wir würden eh immer alle die 30-Grad-Wäschemit der Kochwäsche« verwechseln. Auf diese Weise wuchsen wir frei von Mühsal und Selbstrespekt auf, im Gegenzug hatte meine Mutter alles schön, so wie sie es mag, und wird erst mal keine Enkelkinder bekommen.
Heute weiß ich, dass es, zumindest wenn es um die Spülmaschine ging, meine Mutter andere Gründe hatte, uns – und insbesondere meinen Vater – von ihr fernzuhalten. Spülmaschinen sind, wenn sie denn mal laufen, Zauberwesen aus einer fernen Welt. Nichts haben sie mit anderer Weißware gemein, sondern sind verführerische Sirenen, die mit ihrem schrillen Gesang nichts anderes im Schilde
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