Nicht mein Märchen (spezieller Festtags-Preis) (German Edition)
„Ich wünschte wir könnten das über Skype auch. Wie lange bleibst du hier?“
„Bis Dienstag.“
„Schön,“ sagte er. „Du kannst morgen mit mir zur Arbeit kommen. Das Ding ist nur, ich muss ne Art Liebes-Szene drehen. Nichts Extremes, wobei ich nackt sein muss, aber… ehm… tja. Mit Gigi. Ich hasse meinen Job gerade. Bitte mach deswegen nicht mit mir Schluss.“
„Verschwinde hier!“
„Zwing mich.“
„Auf deine Position, Gigi.“
Ich saß und las einen Artikel, während Jason am nächsten Tag seine „Liebes-Szene“ drehte. Laut ihm, war die Szene „sehr mild“. Eine ernsthafte Liebes-Szene hätte ich mir gar nicht angucken dürfe, dafür wurde das Set geschlossen.
Aber genau genommen durfte ich mir diese Szene hier auch nicht angucken. Sobald die Kameras liefen, waren alle dazu angehalten auf den Boden zu starren. Ich las meinen Artikel über organische Chemie, während Jason und Gigi sich gegenseitig anschrien und die Klamotten vom Leib rissen.
Die Beleuchtung war heiß, selbst da wo ich saß, außerhalb ihres direkten Lichts. Das Set stellte das „Apartment“ von Jasons Figur da, was eigentlich nicht mehr als die Ecke einer Lagerhalle mit einem falschen Fenster und einem zerwühlten Bett war.
„Cut! Stell dich auf die Markierung !“ Der Regisseur zeigte auf eine Klebeband-Markierung auf dem Boden, auf der Gigi eigentlich stehen sollte, während Jason sie auf romantische und männlich bestimmte Art ergreifen sollte. Der erste Assistenz-Regisseur hatte mir klipp und klar zu verstehen gegeben, dass sollte es auch nur das leiseste Geräusch von raschelndem Papier geben, er mich sofort vom Set schmeißen würde, also war ich vorsichtig.
„Hast du schon genug?“ fragte Jason. Ohne dass ich es bemerkt hatte, war er zu mir herüber gekommen und hatte sich neben mich gestellt. „Ich nämlich schon. Ich will nur, dass das hier zu Ende ist.“ Das sah man seiner Schauspielerei allerdings nicht an. Sein Job war zwar seltsam, aber er war sehr, sehr gut darin.
Gigi war zu spät zur Arbeit erschienen, dementsprechend war alles etwas später angelaufen und wie Jason mir erklärt hatte, verlangten die Gewerkschaftsregeln, dass zwischen den Drehs mindestens 12 Stunden Pause lagen, wenn man also an einem Tag später anfing, war ein späterer Start am nächsten Tag ebenfalls garantiert. „Ich schaff hier einiges an Uni-Kram,“ sagte ich.
„Ich weiß. Heißt das etwa, du bist nicht gefesselt von meiner Performance? Antworte besser nicht. Ich bin froh, dass du nicht zuguckst.“
Ich zog die Hülle meines Textmarkers mit den Zähnen ab, und markierte einige Zeilen Text.
„Ich mach‘s wieder gut, ich versprech‘s,“ sagte er.
Ich war mir nicht sicher, was er damit meinte, aber bevor ich nachfragen konnte, zitierte ihn der Regisseur herbei und er ging zurück um Gigi weiter anzuschreien und dann mit ihr auf dem Bett neben ihnen zu landen. Dann wurden einige Kuss-Szenen gedreht, die, wie ich eingestehen musste, nicht mal ansatzweise romantisch waren. Nicht, wenn der Regisseur ihnen ständig befahl ihre Köpfe so oder so zu neigen, damit sie keinen Schatten auf das Gesicht des anderen warfen – Jason brach in der Sekunde ab in der „Cut!“ gerufen wurde.
Ich las weiter.
Als der Regisseur „Das war’s für heute“ rief, hatte ich einen Artikel bereits beendet und einen weiteren begonnen.
„Okay,“ sagte Jason. „Lass uns hier abhauen.“ Dave, sein Assistent und eine Handvoll weiterer Leute versammelten sich und Jason beratschlagte sich kurz mit ihnen, während ich meine Sachen zusammen packte und die Beine streckte.
„Hab ne schöne Nacht,“ sagte Gigi Malone, während sie an mir vorbei segelte. Sie sah hinreißend aus. Ihre Haut war hell und strahlend, ihr Haar glatt und durchgestylt. Ihre Augen funkelten. Jason ignorierte sie komplett.
Ich fuhr mit Jason in seinem Auto zum Hotel zurück. Sein Fahrer und Dave saßen vorne, einige weitere Leute folgten dem Wagen im Schlepptau. Jeder folgte uns auf sein Hotelzimmer und sie unterhielten sich über den Dreh bis Jason sie alle wegschickte.
Okay, dachte ich mir. Was jetzt?
„Willst du fernsehen?“ fragte Jason.
„Klar.“
Er reichte mir die Fernbedienung und wir machten es uns auf der Couch bequem. Er ließ einen Arm um meine Hüfte gleiten und schien mehr an mir als an dem Fernsehprogramm interessiert zu sein. Ich schaltete zu einem Nachrichtensender und widmete meine Aufmerksamkeit dann Jason. Er
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