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Nicht menschlich Inc.

Nicht menschlich Inc.

Titel: Nicht menschlich Inc. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Linnhe
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notieren. So konnte ich mich immerhin beschäftigen, während ich wartete. Von meiner Position aus konnte ich nicht nur den Hauseingang, sondern auch die Straße gut überblicken, sodass mir keine Bewegung entgehen würde.
    Ich kramte in meiner Handtasche und fand einen Kugelschreiber und einen Notizblock. Kurz kaute ich auf dem Stift herum und legte los: Regenjacke, Regenhose, Regenschirm.
    Das war ein guter Anfang. Was, wenn die Sonne schien? Sonnenbrille, Sonnencreme, Lippenschutz, Baseballkappe. Ich fand mich gut, besonders nachdem ich den letzten Punkt hinzugefügt hatte. Eine Baseballkappe würde nicht nur die Sonne abhalten, sondern auch mein Gesicht vor fremden Blicken schützen. Ich hätte ebenso modischer Hut schreiben können aber nein, im Sinne der Unauffälligkeit würde ich eine hässliche Kappe wählen. Ich hoffte sehr, dass meine Mutter diesen Zettel niemals finden würde.
    Verschreckt schlugen meine Gedanken einen Haken. Was passierte, wenn ich krank werden würde? Musste ich mich dann selbst überwachen? War die Kamera überhaupt mit einem Selbstauslöser ausgestattet? Ich sollte einfach bei meiner nächsten Erkältung prophylaktisch ein paar Aufnahmen von mir machen. Die konnte ich mit meinem Krankenschein zu ABM schicken und beweisen, wie sehr ich litt. Auf diese Weise waren mir unbeschwerte Zeiten gewiss, in denen ich tun und lassen konnte, was ich wollte.
    Unglaublich, keine zwei Tage im Beschattungsgeschäft, und schon entwickelte ich kriminelle Gedanken. Energisch fasste ich den Kuli fester und schrieb: Fernglas, Aufnahmegerät, Videokamera, Infrarotsichtgerät, Absperrband. Meine Rolle gefiel mir immer mehr.
    Zwischenzeitlich warf ich Blicke auf die Straße, doch noch immer war niemand zu sehen. Ich seufzte, machte es mir bequem und überlegte. Es war schon auffällig, dass Kirsten sich plötzlich nicht mehr um den Hausflur kümmerte und zur selben Zeit ihren Krankenschein verlängerte. Wenn es ihr so schlecht ging, dass sie zu schwach zum Putzen war, dann hätte sie in ihrem Bett liegen müssen. Oder zumindest auf ihrem Sofa, um fernzusehen. Blieb also nur der Arztbesuch. Oder sie hatte sich in ein Krankenhaus einliefern lassen, als es rapide mit ihr bergab ging. Oder sie hatte sich in ein Flugzeug gesetzt und sonnte sich auf den Bahamas. Wenn es von LaBrock aus überhaupt eine Verbindung zu den Bahamas gab.
    Die Digitalziffern der Uhr schritten langsam voran. Ich gähnte, aß den Schokoriegel, dachte an Desmond und wurde unruhig. Ich musste auf die Toilette, aber bei meinem Glück würde Kirsten in dem Moment nach Hause kommen, wo ich im Hinterraum eines schäbigen Cafés verschwand. Voller Sehnsucht sah ich zu den Büschen in einiger Entfernung hinüber, aber sie waren nicht dicht genug und gehörten zu einem privaten Vorgarten. Ich hätte die Gelegenheit bei Kirsten nutzen sollen, doch wer wusste schon, ob mich das nicht nachträglich in Schwierigkeiten gebracht hätte. Falls Kirsten wirklich auf die Insel geflüchtet war und der Prokurist daher einen Großeinsatz anberaumte, würden Spezialisten womöglich alles genau unter die Lupe nehmen. Und Aussagen wie »Frau di Lorenzo, wir haben Ihren Oberschenkelabdruck im Badezimmer der Verdächtigen gefunden« wären höchst kontraproduktiv. Ein wenig konnte ich noch warten, dann würde ich Stacey anrufen und ihr die Lage schildern. Vielleicht konnte sie sich in den Krankenhäusern der Stadt nach Kirsten erkundigen, während ich mir ihren Hausarzt vornahm. Ja, das war eine gute Idee.
    Eine Stunde später hatte ich einen Teil des Straßenplans auswendig gelernt, die Muttermale auf meinem rechten Arm gezählt und mir vier Gedichte ins Gedächtnis gerufen, die ich in der Grundschule gelernt hatte. In dieser Zeit war die Haustür ein Mal aufgegangen, was mir einen kleinen Herzinfarkt beschert hatte. Aber nur Frau Poll war erschienen, um einen Schwall schmutzigen Wassers auszugießen.
    Da mein Unterleib mittlerweile mit stechenden Schmerzen rebellierte, griff ich zum Telefon und rief die eingespeicherten Nummern auf. Kurz darauf hatte ich Stacey in der Leitung. Ich berichtete ihr von dem, was ich bisher herausgefunden hatte, und ließ sie mit einem drängenden Unterton in der Stimme wissen, dass ich menschliche Bedürfnisse verspürte. Auf den ersten Teil meiner Ausführungen reagierte sie mit interessierten »Hm, hm«, den zweiten ließ sie unkommentiert. Vielleicht waren diese Bedürfnisse schlicht und einfach menschlich und Stacey konnte daher

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